Als das Rocky Mountain Suzi Q 2016 auf den Markt kam, haben wir sofort eine Nummer gezogen um an ein Testbike zum kommen. Gut ein Jahr ist seit dem vergangen und anstatt weiter zu warten, haben wir lieber eine beschwerliche Reise auf uns genommen… Mit dem Auto zu Bahnhof, mit dem Zug zum Flughafen und von dort mit dem Flieger an den Nabel der Bikewelt: Vancouver B.C.

Endlich angekommen…

Suzi Q war 2016 DER Neuzugang in der FATBike Serie der kanadischen Kultmarke. Dabei war „Suzi“ von Anfang an ein Exot unter den Exoten:  ihre „27.5 Fat“ Laufräder dürften selbst gestandenen FATBikern eigenartig vorkommen. Aber was kann so ein 27.5×3.8 Laufrad und wie fährt sich die exotische Schönheit aus dem Land der Bären und Zedern? Haben wir probiert!

Rocky Mountain Suzi Q: 4 Suzis für ein Hallelujah

Erstmal eigenwilllig…

Rocky Mountain baut das Suzi Q 2017 auf 2 Chassis auf: neben einem Rahmen auf 6061er Alu gibt es noch die High End Variante aus Carbon. Beide Rahmen werden jeweils in 2 Ausbaustufen angeboten, als Suzi Q -30° und Suzi Q -50° (Alu) und Suzi Q -70° RSL und Suzi Q -90° RSL (Carbon). Die höhere (also eigentlich niedrigere – ist ja MINUS!) Zahl steht für die jeweils bessere Ausstattungsvariante.

Shimano XT (fast) durch und durch

 

Im Rocky Mountain Headquarter hat sich eine Suzi Q -50° dermaßen lasziv vor uns geräkelt, dass wir sie direkt auf unseren Rücksitz verfrachtet haben. Zu Hause dann der erste Check: komplette Deore XT 1×11 Schaltung (leider mit KMC Kette), SLX Bremse, Sun Ringe Mule Füt Felgen, DT Nabe hinten, Race Face Kurbeln und Maxxis Minion Reifen – Suzi gehört eher zu den durchtrainierten Frauen … ähem, BIKES. Trotz leichter Carbongabel hat Rocky Mountain dem potentiellen Käufer aber noch ein wenig Raum für individuelle Verbesserungen gelassen: die Laufräder sind tubeless ready, haben aber noch Schläuche.

Ein üblicher Schwachpunkt, hier aber gerade noch so ausreichend…

Und auch die Komponenten – Lenker, Vorbau, Sattelstütze und Sattel – sind zwar in sich stimmig, aber lassen, wie der Kanadier sagt, „Room for improvement“.
Eher eine Frage der persönlichen Kondition dürfte das vordere Kettenblatt sein – die montierte Variante mit 28 Zähnen setzt unserer Meinung nach jedoch dem Vortrieb viel zu früh, nämlich bei ca. 30km/h) ein jähes Ende.

Suzi's heißes Fahrgestell

Solide Basis: der Alurahmen

Um einen schlechten Rahmen kann man kein gutes Bike bauen. Rocky Mountain hat sich diese Grundregel zu Herzen genommen und seine Suzi Q 2017 mit allen erdenklichen Features ausgestattet. So kann in's tapered Steuerrohr jederzeit eine Federgabel eingesetzt werden. Alle Züge sind weitgehend innen verlegt und der Rahmen bietet die Möglichkeit, eine Stealth Dropper Post und einen Umwerfer nachzurüsten. Spannend sind auch die vielfältigen Möglichkeiten, Racks, Flaschenhalter und Taschen anzubringen – wie es sich für ein echtes FATBike gehört.

Da kann man 'ne Menge hinschrauben…

Aber ist das Rocky Mountain Suzi Q wirklich ein echtes FATBike? Unserer Meinung nach ja. Auch, wenn das exotische Reifenformat mit 3.8″ Breite eher im unteren Grenzbereich angesiedelt ist sind es gerade die oben genannten „Fatty Features“, die Suzi zu einem echten FATBike machen. Vielleicht ist sie nur Halbfett. Aber wer würde einer Lady DAS ankreiden?!? Sagen wir lieber: durchtrainiert.

Tight: schmaler Hinterbau und eng sitzende Kurbeln.

Der eher schmale Reifen erlaubt eine 177er Hinterbaubreite und einen entsprechend geringen Q-Faktor der Kurbeln. Lenkwinkel (68°) und Sitzwinkel (73.5°) entsprechen dem modernen Standard. Suzi ist demnach sozusagen der 90-60-90 Idealtyp.

Let's dance!

Nun kann man eine Menge philosophieren, über Lenkwinkel, Kettenstrebenlänge und Radgrößen. Aber was spielt das noch für eine Rolle, wenn man am Eingang des legendären „Boogieman Trail“ steht und nicht nur überleben, sondern dabei auch noch eine unverschämte Spaß haben will? Ach ja, genau: keine.

Egal wir steil es runter geht, Suzi Q macht alles mit!

Also Klamotten an, Helm auf und raus in den „Shore“! Erster Eindruck: man sitzt hoch auf dem Rocky Mountain Suzi Q. Die großen und ungewohnt schmalen Reifen verstärken den Eindruck. Interessanterweise rollt der montierte Maxxis Minion Reifen gefühlt sogar etwas schlechter als sein vier/achter Pendant, welcher an unserem zweiten Testbike, einem Rocky Mountain Blizzard, montiert war. Der dünne Reifen ist sehr unkomfortabel, braucht zum leichten Rollen aber relativ hohen Druck. Ungewohnt für einen FATBiker… Allerdings merkt man bereits nach ein paar Metern: die Kleine will spielen!
Und so rollt man entspannt dahin und Touren lassen sich gänzlich unaufgeregt abwickeln.

Suzi am Abheben

Lässt man Suzi dann aber auf dem Trail von der Leine, kommt Laune auf! Leichtfüßig tänzelt sie dahin, zirkelt verspielt um Steine und Wurzeln und schwebt mit lässiger Präzision selbst über die schmalsten „Skinnies“. Die Reifen sind hier Segen und Fluch zugleich: einerseits ermöglichen sie ein spürbar agileres Handling als beim Vergleichs-Blizzard. Andererseits fehlen ihnen genauso spürbar die Reserven – sei es bei der Traktion, Federweg oder Durchschlagschutz.

Liebe Kinder, probiert das nicht zu Hause!

Gerade auf schnelle Flowtrails braucht das Bike viel Last auf dem Vorderrad um sich und den Fahrer nicht ungeplant in's Unterholz zu katapultieren. Hat man diese Balance aber einmal gefunden, lässt es sich mit Suzi vortrefflich tanzen. Dann braucht eigentlich nur die etwas unterdimensionierte 180mm SLX Bremse noch erhöhte Aufmerksamkeit, da sie Suzi's Vorwärtsdrang nicht immer so vehement Einhalt gebietet, wie es der Trail gerade verlangt.

Was macht 27.5 FAT eigentlich auf Schnee und Sand?!?

Zweieiige Zwillinge: Maxxis Minion drei/acht links, vier/acht rechts.

Alles in allem ist das Rocky Mountain Suzi Q ein bissiges Trailbike, welches auch ohne Federgabel eine Menge mitmacht und, typisch FATBike, die Grenzen des Machbaren sehr weit außen setzt. Aber sagt man nicht eigentlich, FATBikes wären nur was für Schnee und Sand? Ein schreckliches Vorurteil. Aber gut – wo wir einmal hier sind, haben wir auch das ausprobiert. Und die Unterschiede fallen eher gering aus. Gerade im feinen Pazifiksand konnten wir den umstehenden Zuschauer mit beiden Bikes – Suzi und Blizzard – gleichermaßen verdutze Blicke entlocken. Anders als das Norco Torrent 650B+, welches wir 2016 am Strand von Vancouver in die Verzweiflung getrieben haben, haben die drei/achter Pellen des Rocky Mountain Suzi Q keine spürbaren Nachteile.

Eiskalt: Suzi Q im Schnee

Auf Schnee dagegen fiel der Unterschied deutlicher aus – hier kostet das fehlende Zoll merklich Auftrieb und die kleineren Stollen bewirken eine deutlich lustlosere Umsetzung von Lenkbefehlen. Es mag ein Vorurteil sein, aber Suzi Q ist eben ein ganzes Mädchen: lieber am Strand als im Tiefschnee.

Was bleibt?

Scharfes Teil!

Leider lag unsere Bikewaage fast 10.000km entfernt auf der Werkbank, so müssen wir eine wichtige Information schuldig bleiben. Aber Gewicht und Alter spielen bei einer echten Lady ja sowieso eine untergeordnete Rolle. So können wir für das Rocky Mountain Suzi Q festhalten, dass sie ein feines, agiles und handliches Fatty ist welches eine Brücke zum normalen MTB schlägt. Anders als 650B+ Bikes ist sie aber eben doch ein waschechtes FATBike. Wie (leider) üblich raten wir zum Anbau einer leistungsfähigeren Bremse (eine 203mm Scheibe sollte es für's Erste tun) und würden das Bike sofort auf schlauchlos umrüsten, was Suzi zur waschechten Leichtathletin macht. Alle, die sich ihr Fatty etwas agiler wünschen und bereit sind, dafür auf den letzten Schliff in Sachen Fahrkomfort und Grip zu verzichten, können mit Suzi locker mal ein Tänzchen wagen. Vielleicht wird ja Liebe daraus?

Suzi hat viele Fans!

3 Responses

  1. Mike Brummer

    Bei dem Gewicht kann ich euch aushelfen ,ich habe meins gewogen Orginal mit Pedale 13,9 kg.

    Antworten
    • Dan

      Danke Mike, für diese wertvolle Ergänzung! Deinem Comment entnehme ich, das du selbst eins hast. Sehr geil! Schick doch gern mal Bilder rum. FATte Grüße, Dan

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