Das Silverback Scoop Fatty ist ein Preisbrecher – schmale 1.199,- ruft Silverback dafür auf. Das ist günstig. Oder billig? Was steckt hinter dem Preisschild? Alles nur Fassade oder FATte Substanz? Schauen wir es uns an!

Das Silverback Scoop Fatty. Darf's eine Kelle extra sein?

Sieht cool aus – nicht nur im Schnee

„Scoop“ bezeichnet im Englischen unter anderem eine Schöpfkelle. Auf den ersten Blick hat Silverback genau diese benutzt um das Scoop Fatty zu bestücken. Sun Ringle Mulefüt Felgen (samt hochwertiger Double Butted Speichen!), eine Race Face Kurbel, XT Schaltwerk, korrekte Vee Tire Bulldozer 4.7 Reifen mit feiner 120TPI Karkasse und hydraulische Scheibenbremsen vom Shimano – das macht was her!

Bulldozer auf Mulefüt. Natürlich ohne Schlauch!

Ohne Zweifel: die Fassade ist sauber verputzt und hübsch gestrichen. Aber natürlich werden wir im Detail ein paar böse Überraschungen finden – bei dem Preis. Wäre doch gelacht!
Also los! Hersteller schummeln gern bei Kette und Kassette. Aber Fehlanzeige. Alles Shimano Deore, und das sogar endlich mal wieder ganz klassisch (und im FATBike Alltag extrem zweckmäßig) in 2×10 Setup!

Race Face Kurbel, 2×10. Top!

Die Anbauteile verströmen sogar einen Hauch High-End Gefühl: die Sattelstütze ist mit einem Wechsel aus matten und glänzenden Flächen edel gemacht, die fein ausgefräste Ahead-Kappe wird mit einer leichten Alu-Schraube gespannt und der Sattel verfügt über einen Rand aus strapazierfähigem (Kevlar?)Gewebe.
Dazu liefert Silverback sogar noch ein paar einfache Aluminiumpedale (die wir jedoch zum Test nicht montiert haben) und alle nötigen Schellen und Schrauben um eine Dropper Post nachzurüsten.

Edel gemacht…

Der Tüpfelchen auf dem „i“ sind aber die Tubeless Ventile, welche ebenfalls im Karton rumkullern. Die Laufräder sind bereits komplett Tubeless Ready aufgebaut, man kann also mit wenigen Handgriffen die lästigen Schläuche (welche aber auch immerhin von Kenda stammen) rausreißen und an den Nagel hängen.

Wo liegt der Fehler?

Also, wo wird denn nun gespart? Die mögliche Erklärung für den Kampfpreis finden wir am Unterrohr. Dort prangt ein dickes „Made in China“ Schild. Hm… Made in China? Das spart Geld. Der Rest bleibt erstmal abzuwarten.

Made in China, aber ordentlich gemacht.

Der Rahmen an sich ist jedenfalls angemessen sauber verarbeitet und verfügt über alle wichtigen Details: gebogene Kettenstreben, 197mm Hinterbau mit X12 Steckachse, außen verlegte Züge, Aufnahmen für Gepäckträger & Flaschenhalter und die Möglichkeit, eine Stealth Dropper Post zu verbauen. Außerdem wurde er sauber in Denim-Blue farbenem Lack eingenebelt, wobei alle Decals unter dem Klarlack angebracht sind. Wer kein Blau mag kann alternativ „Spring Lime“, also auf gut Deutsch Gelb, bekommen. Die massive Starrgabel, welche leider ohne Aufnahmen für Gepäckträger auskommen muss, wurde aus leichtem Aluminium zusammengebrutzelt.
Zwar nutzlos, aber äußerst hübsch ist das metallene Silverback Logo in 3D, welches am Steuerrohr prangt.

Sehr lässiges Detail… (die Züge und Leitungen haben wir übrigens bewusst nicht am Rahmen befestigt)

Ärgerlich dagegen ist, dass das Vorderrad ganz oldschool mittels Schnellspanner fixiert wird. Zwar nimmt der Rahmen problemlos eine Federgabel auf. Aber das Vorderrad ist mit Bluto & Co. so nicht kompatibel und treibt im Falle einer späteren Umrüstung die Kosten unnötig nach oben.
Die sonst störende 190mm Innenlagerachse hat am Silverback Scoop Fatty ebenfalls ihre Daseinsberechtigung: das Scoop Fatty bietet eine enorme Reifenfreiheit. Leider verpasst Silverback dennoch den Sprung in die Königsklasse haarscharf: der Vee Tire Snow Shoe 2XL 5.05 passt zwar immerhin schonmal rein, hat aber leider nicht genügend Spielraum um sich frei zu drehen.

Das hätte fast gepasst…

Raus damit!!!

Bevor wir das Silverback Scoop Fatty zum Test in die Wildnis gejagt haben, haben wir sofort die Einladung zum Tubeless-Umbau angenommen. So haben wir ohne nennenswerte Anstrengungen das Gewicht von ursprünglich üppig dimensionierten 15,1 auf anständige 13,9 Kilogramm (jeweils ohne Pedale) gesenkt.

Vorher/nachher. Beeindruckend, oder?

Kleine Anekdote am Rande: Silverback gibt das Gewicht des Scoop Fatty mit 15.07kg an – wir haben 15.08kg gemessen. Respekt, das hat man auch selten…
Dann haben wir noch schnell unsere eigenen Pedale und den Wohlfühlsattel installiert und dann nichts wie raus!

Die edle Sector-Stütze samt Matt's Wohlfühlsattel 😉

Und wie fährt sich das Scoop Fatty nun? Zwei Worte: sehr ausgewogen. Und das soll keine Umschreibung dafür sein, dass das Bike nichts kann. Im Gegenteil. Man sitzt entspannt aber nicht gelangweilt, dank steilen 73.5° Sitzwinkel tritt man effizient und kommt locker auch über längere Touren. Dabei helfen gerade die schlauchlos montierten Vee Tire Bulldozer 4.7 enorm: es geht locker flockig und vor allem sehr komfortabel voran.

Es kann aber auch anders…

Und so zieht das Silverback Scoop Fatty gelassen seine Bahnen, folgt jedoch jederzeit willig den Befehlen des Kapitäns wenn er (oder sie) mal wieder mit Vollgas irgendwelchen Blödsinn machen will. Das Silverback Scoop Fatty ist ein handliches und wendiges Bike. Bei Bedarf legt es seine Gelassenheit jederzeit ab, frisst sich gierig durch Single Trails oder wühlt sich wutschnaubend durch's Unterholz.

Sieht auch im Unterholz top aus!

Der recht steile Lenkwinkel von 71.5° sorgt allerdings für Nervosität und verlangt bei wüster Kurvenjagd deutlich erhöhte Aufmerksamkeit. Hier kann man das Silverback Scoop Fatty dann auch recht schnell aus der Reserve locken und hat verhältnismäßig früh mit Untersteuern zu kämpfen. Aber wird es diese Grenzerfahrung bei vielen Scoop-Piloten in den Top 10 ihrer Bike-Alltagssorgen schaffen? Wohl kaum. Also für den Ernstfall mal im Hinterkopf behalten und ansonsten: Schwamm drüber!

Und nochmal im Schnee…

Aber noch ein Rat für alle, die sich jetzt doch angesprochen fühlen: die verbaute Shimano Scheibenbremse ist angesichts des Listenpreises absolut in Ordnung. Sie kann aber nicht in allen Lebenslagen mit der Leistungsfähigkeit des Scoop Fatty mithalten. Eine 200er Scheibe vorn ist ein lohnendes Upgrade.

Was bleibt?

Wirft einen langen Schatten: das Scoop Fatty

Wir hatten ein Einsteigerbike erwartet – und haben ein vollwertiges FATBike vorgefunden. Das Silverback Scoop Fatty ist ein dicht gepacktes rundum-sorglos Paket. Das Verhältnis aus Kosten und Fahrspaß ist äußert günstig, es gibt viele hochwertige Parts und selbst im Detail versteckt sich keine Mogelpackung. Vielleicht kann man die Bremse verbessern und hier und da ein wenig Gewicht sparen. Man kann es, und das ist die Crux dabei, aber auch einfach bleiben lassen und sich daran erfreuen, das alles für gerade mal 1.199,- Euro aus dem Bikeshop* schieben zu können.

Noch ein Tipp am Schluss: die Rahmen von von Silverback fallen recht klein aus. Ausnahmsweise empfehlen wir hier mal, auch eine Nummer größer zu probieren!

(*Link zu unserem Partner Alex!)

4 Responses

  1. Escaper

    Guten Tag, Matt,

    da stimme ich Dir absolut zu. Es wäre wirklich sehr interessant, von den Herrstellen bzw. Aluwissenschaftlern zu erfahren, wie es bei 6061 Alu mit der Haltbarkeit aussieht – dies auch nach Jahren der Nutzung.

    Das Thema ist was für die Sparte „Tech Talk“ und schafft klare Fakten. Desweiteren würden vielleicht so manche Bedenken gegenüber 6061 behoben, wenn der ein oder andere Hersteller mal selber Stellung (Beleg durch Tests!) bezieht.

    FATte Grüße
    Escaper

    Antworten
  2. Escaper

    Guten Tag, Matt,

    das Silverback Scoop, wie ich finde, hat eine sehr schöne Rahmengeometrie. In der von Dir getesteten Farbe ist es ein echter „Augenschmaus“. Dass es über gute Parts für den Preis verfügt, ist auch unbestritten.

    Wo man aber meiner Meinung nach eindeutig gespart hat, ist der Rahmen, der aus 6061 Alu besteht. Hierüber habe ich mich vor längerer Zeit, mit einem Fahrradverkäufer unterhalten. Seiner Meinung nach sei 6061 Alu eher sehr selten geworden, da es nicht so haltbar wie 7005 oder 7020 Alu sei. Dies ist aber, wie ich weiß, bei nicht wenigen Herstellern ein gebräuchlicher Werkstoff.

    Ich würde empfehlen, einen 7005 oder 7020 Alu-Rahmen zu wählen. Von daher, würde ich, wenn es um ein gutes Fatbike geht, welches über einen guten Rahmen und eben solche Zutaten verfügt, das Rose „Tusker“ – preislich in der Grundausstattung dem Scoop vorziehen (angelehnt an Euren Bericht!).

    Aber Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden.

    FATte Grüße
    Escaper

    Antworten
    • Matt

      Servus Escaper,

      danke für Deinen Kommentar. Hier müssten wir allerdings mal einen Materialwissenschaftler befragen. Denn ehrlich gesagt haben wir zwar auch schon viel gehört und gelesen, aber das reicht an dieser Stelle nur für Halbwissen. Die Parameter eines guten, haltbaren Rahmens gehen allerdings weit über die verwendete Legierung hinaus. Leider macht (aus verständlichen Gründen) kein Hersteller Angaben zu Rahmenbrüchen so dass ein Rückschluss schwer zu ziehen ist.
      Aber! Wir haben ja ganz gute Kontakte zu einigen Herstellern – da fragen wir mal nach und lernen dazu!

      FATte Grüße

      Matt

    • Martin Schmidt

      Nun, ich kenne das eigentlich anders herum…

      7000 Aluminium ist günstiger zu verarbeiten und wird daher vermehrt verwendet. Man kann den Rahmen kalt auslagern (günstig – aber korrosionsfördernd) 7000 Aluminum hat eine schlechtere Bruchdehnung als 6061. Es bricht also etwas schneller und ist auch noch durch das enthaltene Zink Korrosionsanfälliger im Generellen. 6061 Alumiumrahmen muss bei der Produktion stark erhitzt werden (teuer – aufwändig), kann aber gut geformt werden, ohne dass Rahmenspannungen entstehen.
      Der einzige Vorteil von 7000 Aluminium ist, dass diese Legierung etwas fester ist … hm.

      Ihr seht, ich verteidige mein Stevens … selbe Preisklasse und auch aus 6061 Aluminium 😀

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