FATBike „Mullet“ – was die Mischung aus 27,5 und 26 Rädern kann.

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Das 27,5 FAT Format hat viele Fans. Unter anderem eine der coolsten – Rocky Mountain – und eine der erfolgreichsten – Trek – Bike Marken. Aber zwei Typen gehören bisher nicht dazu: wir. Für uns ist dieses Reifenformat vor allem ein weiterer Beweis für eines der mit Abstand größten Talente der Bike Branche: Lösung zu entwickeln für Probleme die doch eigentlich niemand hatte – und damit am Ende alle nur noch mehr zu verwirren. Aber in einem Gespräch mit einem Leser sind wir auf eine durchaus spannende Idee gekommen…

Es ist ja nun nicht so…

Ein Auswahl von uns getesteter 27,5 FAT Reifen

…dass 27,5 FAT gegenüber einem herkömmlichen FATBike mit 26 Zoll Rädern so gar keine Vorteile hätte. Denn zumindest ein präziseres Lenkverhalten bieten einige der von uns bisher getesteten 27,5 FAT Schlappen. Was kein Wunder ist: dank der im Verhältnis zum Raddurchmesser geringeren Bauhöhe des Reifens hast du einen ähnlichen Effekt wie bei einem Niederquerschnittsreifen am Auto. Das Bike lenkt zackiger ein und du hast weniger das Gefühl, auf einem Satz Sofakissen durch den Wald zu zischen.

Unser „Frankenstein Dude“

Leider erkauft man sich diesen Vorteil teuer: Gewinne im Rollwiderstand konnten wir keine feststellen, der Fahrkomfort leidet, schon allein wegen dem nötigen höheren Luftdruck) deutlich. Und weil man mehr rotierende Masse ganz weit außen am Rad hat (alle bisher getesteten Reifen als auch Felgen sind schwerer als gleichwertige 26 Varianten) geht auch die Beschleunigung ziemlich den Bach runter. Der Vorteil aus dem Prospekt, dass größere Räder besser über Hindernisse rollen, kann uns auch nicht überzeugen – es stimmt in diesem Fall schlicht nicht. Auch, wenn der Vergleich drastisch ist, er erklärt das Prinzip: würdest du beim Bikerstammtisch behaupten, dass ein zweifellos größeres Rennrad-Laufrad besser über Hindernisse rollt als ein herkömmliches Mountainbike mit, sagen wir 26×2,3″ Reifen – deine Freunde würden dich wohl mit Sattelstützen und Lenkern bewaffnet aus der Kneipe werfen…

So, genug über die Nachteile philosophiert. Jetzt: Lösungen!

Hinten FATBike, vorn nur halbfett

Aber gut, sprechen wir über Ideen und Lösungen. Und die sind einfach: warum nicht das Beste aus beiden Welten kombinieren? Während du hinten am FAT Hardtail vor allem zwei Dinge willst – eimerweise Traktion und viel Federung – macht „mehr Lenkpräzision vorn“ doch absolut Sinn. Vor allem, wenn eine Federgabel an Bord ist, die den Verlust im Fahrkomfort auffängt. Solche „Mullet“ Konzepte mit unterschiedlichen Radgrößen sind im Downhill sogar recht beliebt, wenn auch aus anderen Gründen. Wobei bei uns kein „echtes“ Mullet vorliegt, denn außen sind die Räder in unserem Fall ungefähr gleich groß.

FATter Arsch: hinten dreht sich ein Johnny 5

Also haben wir uns einen „Frankenstein Dude“ aus einem 2020er und einem 2021er Canyon zusammengewürfelt, hinten die Macht aufgezogen – den Johnny 5 – und vorn den Maxxis Minion FBR zum Tanz gebeten.

Maxxis Minion FBF, die Lenkwaffe

Aus den bisherigen Testerfahrungen heraus haben wir noch einiges an Feintuning an der Manitou Mastodon gemacht, um sie besser mit dem komplett anderen Verhalten eines schmalen, flachen Reifens zu kombinieren. Kurz gesagt: wir wollten sensibleres Ansprechverhalten und mehr Durchschlagschutz.

Und, kann was?

Die Optik ist aus allen Winkeln gewöhnungsbedürftig

Also haben wir die Kombi eine Weile durch die Welt getrieben und in allen möglichen Lebenssituationen ausgiebig „erfahren“. Fazit: jain… Im Prinzip hat sich in der Trail-Praxis genau das gezeigt, was die Theorie vorhergesagt hat. Der Verlust an Fahrkomfort kann Dank echtem FATBike-Hinterreifen und Federgabel tatsächlich vernachlässigt werden. Das Lenkverhalten wird, wie ebenfalls erwartet, merklich besser. Wer seinem Bike nicht zuuu viel abverlangt kann auf diese Weise tatsächlich ein besseres Gesamtergebnis heraus kitzeln ohne einen allzu hohen Preis zu zahlen.

Im Schnee setzt der Minion leider recht früh Grenzen

Wer es aber gern man richtig krachen lässt, sollte vorsichtig sein: vor allem in Sachen Traktion reihen sich selbst die besten von uns bisher getesteten 27,5 FAT Reifen bestenfalls im oberen Mittelfeld herkömmlicher FATBike Reifen ein. Daran sollte man bei der Wahl der Kurvengeschwindigkeit unbedingt denken, sonst gibt's Freiflüge ins Unterholz. Und die Trägheit des großen 27,5″ Rades gibts sowieso gratis dazu.

Was bleibt?

Wie immer im Leben gilt auch hier: die Mischung machts. Je nach persönlichem Fahrstil und Vorlieben lassen sich 27,5 FAT und 26″ FATBike Reifen durchaus zu einem schlagkräftigen Duo verbinden. Gut, die Optik muss man mögen, und natürlich kann man auch mal ein echtes Mullet Konzept mit z.B. einem Bontrager Gnarwhal 27,5×4,5 bauen. Dann wäre das Vorderrad wirklich GRÖßER als das Hintere. ABER: ob sich der Aufwand wirklich lohnt, steht in den persönlichen Sternen. Die Vorteile sind sehr speziell und kommen trotzdem im Doppelpack mit einigen Nachteilen. Für einige Biker ist das vermutlich genau das, worauf sie schon immer gewartet haben. Für die meisten jedoch dürfte das eine interessante Spielerei sein – nicht weniger, aber auch nicht mehr.

6 Responses

  1. Tom

    Ich fahre schon seit fast zwei Jahren im Mixed auf einem Fatbike. Zwei Lrs. Ein Satz Sunringle sl80 V1 4.0-27,5 / 4.6-26 sowie ein Satz V2 mit den gleichen Reifendimensionen.
    Reifen sind 45nrth vanhelga 4.0+4.2 sowie 45nrth Dillinger 4+5
    Zusätzlich noch ein Wechselhinterrad mit 4.0-26 Dillinger4.

    Der Mix aus 4.0-27,5 und 4.6-26 ist das Beste, was ich bislang und in den letzten Jahrzehnten gefahren bin.
    Traktionsstark im Antrieb und leichtfüßig im Lenkimpuls. Der Dillinger ein leistungsstarker und verlaesslicher Allrounder .
    Im Grunde habe aber auch ich nur das Handling meiner Motocrossmotorraeder auf das Mtb/Fatbike projeziert und umgesetzt, als die Mtb/Fatbikeindustrie die Möglichkeit geschaffen hat.
    Ich plane gerade einen weiteren Mixed-Umbau mit einer DT BR2250 -27,5 Felge, die vereinzelt angeboten werden.

    Antworten
    • Tom

      Da ich meinen Beitrag nicht bearbeiten kann, hier der Hinweis zu den im Internet angebotenen DT-BR2250 Felgen in 27,5″: DT-Swiss stellt keine BigRide-Felgen in 27,5″ her. Bei den als 27,5 angebotenen Felgen ist im Artikelbeschrieb die Größe 26″ genannt oder auf dem Produktbild ersichtlich.

    • Matt

      Hi Tom,

      Danke für deine Korrektur, allerdings stimmt es immer noch nicht 100% ;). DT Swiss stellt diese Felgen her, im Canyon sind sie ja verbaut. Nur kaufen kann man sie aktuell leider nicht. Wir hoffen natürlich, dass sich das irgendwann ändert. „Auf Sicht“ ist aber nichts dazu bekannt.

      FATte Grüße

      Matt

    • Tom

      Hi Matt,

      das freut mich sehr. Beide Laufradanbieter hatten sich nämlich nicht gemeldet, nachdem ich die schriftliche 27,5″-Bestaetigung des 300-Euro Angebotes für ein Vorderrad angefragt habe und beim Kontakt zu DT verwies man auf die Produktlinie der Webseite.
      Dann warte ich mal einige Wochen ab. Vielen Dank für Deine Berichtigung.

  2. cb1p111

    OK, wir haben folgende Ziele.

    -Rotierende Massen am Hinterrad reduzieren, d. H. Reifen kleiner, aber dicker machen. Runter von 26 Zoll auf 24 oder gar 20 Zoll oder tiefer. Reifen breiter von 5 Zoll auf 10 oder mehr. Am besten von 12 Ritzeln auf eines hinten abspecken.
    -Stabilität des Laufrads erhöhen, durch breite Steckachse, sagen wir 300 mm
    -jetzt die 12 Gänge nach vorne an die Kurbel, dann passt auch die Kettenlinie vorbei am 10 Zoll Hinterreifen auf die 300 mm Steckachse. Am besten mit Getriebeschaltung.

    Einfach mal die Reifen der Yamaha BW 200 aus den 80er Jahren ansehen.
    Das ist der Fat bike Trend. Rotierende Massen runter, Traktion und Reifenbreite hoch.

    Ich habe allerdings aus Entwickler Kreisen gehört, dass die optimale Kombination für das Mullet Setup bei 18 Zoll hinten und 21 Zoll vorne sein soll.

    Die Verfügbarkeit an Reifen und Profilen ist riesig.
    Die großen Hersteller wie KTM, HONDA, YAMAHA, SUZUKI sind hier seit Jahren mit Test Teams am Start.

    Antworten
    • Matt

      Hi,

      danke für deinen Kommentar, allerdings sind wir uns gerade nicht so sicher, ob du von Motorrädern oder Bikes sprichst. Rotierende Masse am Hinterrad reduzieren ist sinnvoll, aber vor allem außen am Rad. Das Ritzelpaket kann vernachlässigt werden und spielt höchstens am Fully als ungefederte Masse eine Rolle. Eine 300mm Achse würde zwar das Hinterrad stabilisieren, aber wäre dank des dann riesigen Q-Faktors auch ein Konjunkturprogramm für Kniechirurgen. Und ein 10″ Hinterreifen… Top vor der Eisdiele aber ob so ein Reifen im Gelände ein Gewinn ist? ;).
      Also doch eher was für KTM, Honda, Yamaha oder Suzuki statt für Maxx, Canyon oder Silverback…

      FATte Grüße

      Matt

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