Heute reden wir mal über ungelegte Eier. Oder besser: Eier, die zwar gelegt wurden, aber die man nicht haben kann. Denn der Terrene Johnny 5 ist derzeit spurlos vom Markt verschwunden, während der Schwalbe Al Mighty seine mächtigen Stollen gerade eben erst über den Horizont gereckt hat. Trotzdem. In einer Zeit, in der selbst die Beschaffung eines einfachen Schaltwerks* eine Herausforderung werden kann, gönnen wir uns den Luxus eines Artikels, der euch im Prinzip nur in der Theorie weiterhilft. Dennoch, beide Reifen sind ausgesprochen interessant, und die entscheidende Frage sollte jeder FATBiker nach der Lektüre dieses Artikels für sich entscheiden können: soll ich lieber warten und hoffen, nochmal einen Satz Johnny's kaufen zu können oder warte ich lieber gleich auf den Al Mighty? Also, Zeit, ein paar Argumente in den Ring zu werfen!

Der Härtetest, der härter kaum geht

Finale Ligure: Stresstest für Reifen

Für uns, soviel können wir vorweg nehmen, sind beide Reifen so ziemlich das Leistungsfähigste, was man heute am FATBike fahren kann. Es gibt Reifen, die leichter sind, leichter rollen, mehr Grip haben, breiter sind, und so weiter. Aber es gibt kaum einen anderen Reifen, der alles so gut unter einen Hut bringt wie diese zwei.

Deshalb haben wir beide Kandidaten mit nach Finale Ligure geschleppt, wo die Bedingungen so vielseitig wie unbarmherzig sind. Vom schier endlosen Uphill auf kochend heißem Asphalt über Waldwege bis hin zu knochenharten Trails und Downhills über groben Schotter, scharfkantige Felsen und rutschigen Staub ist hier alles dicht gepackt. Immerhin haben wir hier schon den Vittoria Airliner, den Surly Edna oder schon im letzten Jahr den Johnny 5 an ihre Grenzen getrieben und die Schwächen von 27.5×3.8 Reifen oder dem Tannus Armor System entlarvt.

Was uns wichtig war

Diesmal haben wir beide Reifen im Direktvergleich gefahren, also immer wieder den Radsatz getauscht und mit demselben Bike gefahren. Wichtig war uns vor allem herauszufinden, wie sich die beiden im Vergleich beim Lenken, Bremsen oder in Extremsituationen verhalten und wie pannensicher wir unterwegs waren. Außerdem haben wir ein strenges Auge auf den Verschleiß geworfen – unter den gegebenen Bedingungen leiden die Reifen in wenigen Wochen so wie sonst in vielen Monaten. Letztlich war die entscheidende Frage nicht, welcher Reifen der Bessere ist – sondern wer welche Kunststückchen besser beherrscht.

Weite Sprünge, weiche Landung? Mit dem Johnny 5 kein Problem!

Naturgemäß war ein Vergleich auf Schnee und Eis im Glutofen der Mittelmeerküste nicht möglich – allerdings haben wir beide Reifen auch im Winter ausgiebig gefahren und keine nennenswerten Unterschiede festgestellt. Insofern ist bei reinem Winterbetrieb jede der Pellen erste Wahl* (Schwalbe gleicht das augenscheinlich einfachere Profil mit einer ausgefeilteren Gummimischung aus).

Al vs. Johnny. Unsere Eindrücke.

Staubig ums Eck

Die erste Erkenntnis hatten wir bereits beim Reifendruck. Aufgrund seiner enormen Breite von 5 Zoll kommt der Terrene Johnny 5 mit sehr wenig Druck aus, 0,38 bar reichen völlig. Interessanterweise hat sich Schwalbe's Al Mighty jedoch bei sagenhaften 0,35 bar eingependelt – für einen vier/achter Reifen ist das erstaunlich wenig. Beide Reifen überzeugen dann mit erstklassigem Komfort und (für das, was sie sind) angenehmem Rollwiderstand. Allerdings gehen zwei Punkte klar an den Al Mighty*: seine Karkasse ist bei Einschlägen anpassungsfähiger und damit komfortabler. Seitlich ist sie dagegen fester, was merkliche Unterschiede im Lenkverhalten bringt. Während der Johnny 5 ein echter Ami ist – wuchtige Power im Überfluss bei mäßiger Präzision – zieht der Al Mighty seine Bahn wie ein Rasiermesser.

Bei Speed ist der Al Mighty in seinem Element

Vor allem in schnelle Kurvenkombinationen oder bei sehr hohen seitlichen Belastungen stemmt sich die Karkasse der Schwalbe Pelle wie ein Fels in die Brandung und zieht das Bike ohne Allüren auf Spur. Dass der Johnny 5 hier merklich schwammiger ist, merkt man erst (bzw. vor allem) im direkten Vergleich. Und das, obwohl der Al Mighty wie gesagt noch weniger Druck verlangt hat.

Hart oder weich – beim Grip macht ihnen keiner was vor!

In Finale Ligure ist „Traktion“ ein sehr vielseitiges Thema. Die Reifen müssen beschleunigen, lenken, bremsen – und das auf nassem und trockenen Waldboden, Schotter und auch nackten Felsen. Hier hatten wir mit dem Johnny 5* immer dann die Nase vorn, wenn der Untergrund weich wurde. Das üppige Profil der Terrene Schlappen setzt auf Stollen im Überfluss, die in diversen Winkeln zur Fahrtrichtung angeordnet sind. Die Rechnung geht auf: Johnny 5 funktioniert auf weichem Boden wie ein Multifunktionswerkzeug: egal, woran sich die Stollen festhalten könnten, sie finden es.

Grip in allen Lebenslagen

Auf harten Untergründen Punktet der Mächtige Al mit seiner ausgecheckten Gummimischung. Das Addix Compound klebt regelrecht am Boden und lässt irre Manöver zu. Bei der Anordnung der Profilblöcke setzt Schwalbe ja eher auf Deutsche Nüchternheit, dem Grip tut das aber – im wahrsten Sinne des Wortes – keinen Abbruch.

Leichter Vorteil auf losem Untergrund: Schwalbe Al Mighty

Wirklich spannend wird es dann aber auf Staub und Schotter. Hier ließ sich nur schwer ein Favorit ausmachen, da, je nach Situation, mal Al und mal Johnny die Nase vorn hatte. Trotzdem würden wir hier eher auf den Schwalbe Al Mighty setzen, der dank seiner anpassungsfähigeren Karkasse nicht nur, wie oben erwähnt, komfortabler ist sondern sich auf schnell wechselnden Untergründen auch gleichmäßiger anfühlt.

Tubeless, Pannenschutz und Verschleiß

Vollgas voraus!

Wir hatten alle Reifen tubeless montiert. Das ist bei beiden Modellen sehr einfach möglich. Da unsere Al Mighty noch Vorserien-Modelle sind, gilt die Aussage hier nur unter Vorbehalt. Aber unsere Testreifen halten die Luft über mehrere Wochen ohne merklichen Luftverlust – auch ohne Dichtmilch. Da die Terrene solche Kunststückchen auch beherrschen, gehen wir einfach mal davon aus: das ist auch in der Serie so! Ansonsten sind beiden Reifen so aufgebaut, dass sie über stabile Reifenflanken und sehr hohe Stollen verfügen. Durchschläge sind bei beiden Reifen relativ selten. Allerdings baut der Johnny 5 um einiges höher, was ihm einen deutlichen Vorteil bei den Reserven bringt. Auch die steifere Karkasse – Nachteil bei Komfort und teilweise Traktion – hilft hier. Beim Johnny 5 muss man erstmal bis zur Felge durch kommen. Und wenn dir das gelingt, hättest du mit jedem anderen Reifen (außer dem Snow Shoe 2XL) jetzt mit höchster Wahrscheinlichkeit eine Delle in der Felge!

Fotoshooting mit dem Terrene

Nicht, dass der Schwalbe Al Mighty auch nur irgendwie anfällig wäre. Aber wenn Hochsicherheits-Pellen Pflicht sind, kommst du um den Terrene Johnny 5 nicht rum!
Die Frage nach dem Verschleiß beantworten beide Reifen gleich souverän. Trotz rücksichtslosem Einsatz und fiesem Untergrund gab es keinen erkennbaren Verschleiß, keine ausgerissenen Gummifetzen oder gar abgerissene Stollen. Erstaunlich, aber wahr: so wirklich unterkriegen ließen sich die beiden nicht und gehen ohne merklichen Profilverlust aus dem Vergleichstest.

Was bleibt?

Reifen zum Abheben!

Erwartungsgemäß geht das Duell der Giganten in Summe unentschieden aus. Was aber nicht heißen soll, dass es keine Empfehlungen gibt. Nur ist es diesmal eher eine Typfrage. Im Prinzip kann man zum Vergleich von Schwalbe Al Mighty und Terrene Johnny 5 die guten alten Klischees vom „Ami“ und „Deutschen“ bemühen, so kommt man recht genau hin. Der Johnny 5 ist mächtig, massiv, riesig und bringt alles im Überfluss. Bigger is better. Sein Auftritt ist selbstbewusst und laut, eine Wuchtbrumme ohne Kompromisse. Außer bei der Präzision, da lässt er es doch etwas ruhiger angehen. Der Schwalbe Al Mighty glänzt dafür mit Präzision, ausgefeilter Technik und einer gewissen emotionslosen Bescheidenheit, die man uns Deutschen nachsagt. Er ist schnell und sehr genau zu fahren und verbindet diese Sportlichkeit auch noch mit einem Punktsieg beim Komfort.
Der Johnny 5 ist immer dann erste Wahl, wenn Schlamm und Dreck deine Gegner und der FATte Auftritt dein bester Freund sind. Wenn du sportliche Präzision willst, keine Kompromisse gebrauchen kannst und auf bis ins Detail ausgefeilte Technik stehst, dann ist der Schwalbe Al Mighty das Werkzeug der Wahl.
Falsch, und das können wir am Ende festhalten, kann man es jedoch mit keinem der beiden machen.

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2 Responses

  1. Andreas

    Super Artikel wie immer!
    Was für meine Entscheidungsfindung auch wichtig ist:
    Welcher Reifen lässt sich LEICHTER tubeless MONTIEREN!
    Hier hatte ich schon so das ein oder andere zickige Modell Ok, meine Felge ist nur bedingt tubeless-ready bzw. eigentlich nicht, aber der JJ 4,8 Snakeskin hält.
    Also, welcher war da leichter ins Felgenhorn zu bekommen?

    Antworten
    • Daniel Müller

      Danke für den coolen Test. Mal ne Frage: Hast Du den Johnny hinten msl falschrum montiert? Beisst der Deiner Einschätzung Bergauf besser evtl? Nachteile? Habe mim Snow Avalance gute Erfahrungen gemacht mit hinten drehen besonders auf Schotter und Schnee bergauf. Glg aus dem Engadin. Daniel

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