Beim Thema FATBike Reifen scheiden sich die Geister vor allem daran, wo denn nun eigentlich „FAT“ beginnt. Für viele muss es mindestens eine vier/achter Walze sein um als FATBike zu zählen. Wir erfassen üblicherweise alles ab 4 Zoll Breite in unserem Reich. Aber was ist darunter? Ist das noch „FAT“? Und was, wenn sich der Reifen auf eine 27,5 Zoll (650b) Felge spannt und nicht klassisch 26? Womit wir beim Bontrager Hodag 27.5 x 3.8* wären, wohl einem der exotischsten Reifen, die sich je in einem unserer Bikes gedreht haben. Ist das noch FAT? Das klären wir in diesem Artikel.
Trockenschwimmen: der Hodag auf dem Datenblatt.
Wir haben ja seit einiger Zeit eine ständig wachsende Übersicht von 650b FAT Reifen, in der wir auch den Bontrager Hodag 27.5 x 3.8 aufgenommen haben. Wie üblich haben wir auch für diesen Reifen alle technischen Daten in unserer „Tire-in-a-Box“ weiter unten zum anklicken zusammengefasst.
Was beim Hodag sofort in's Auge sticht, sind – neben seiner geringen Breite von nur 93mm die relativ flachen Stollen. Alles Weitere hier:
TIRE-IN-A-BOX (Drück mich!)
Werte auf einer 80mm Felge
Gewicht | 1.250 Gramm |
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Umfang | 2.350mm |
Höhe (ab Felgenhorn) | 76mm |
Breite | 93mm |
Anzahl Stollen | 532 (38 Cluster á 14 Stollen) |
Höhe Mittelstollen | 4,5mm |
BB Höhe Schulterstollen | 5,0mm |
TPI / TLR | 60 / Ja |
Die Montage: ein Kinderspiel.
Auch, wenn wir Testreifen aus rein praktischen Erwägungen meistens mit Revoloop Schläuchen fahren, montieren wir den Satz auch tubeless. Der Bontrager Hodag 27.5 x 3.8 zeigt sich hier von seiner kooperativen Seite. Die Montage auf dem Sun Ringle Mulefüt Laufradsatz klappt auf Anhieb und die Reifen laufen sofort perfekt rund. Im Prinzip muss da nur noch Dichtmilch rein, dann kann's losgehen. Wir haben, wie gesagt, am Ende ultraleichte Schläuche verbaut – wie sich später im harten Test zeigen sollte eine nervige, aber letztlich gute Entscheidung.
Bontrager Hodag 27.5 x 3.8 – keep rollin‘, rollin‘, rollin‘!
Wir hatten ja gerade erst eine ausgiebige Abhandlung zum Thema Luftdruck am FATBike veröffentlicht. Und analog der dort gegeben Ratschläge haben wir den Hodag mit 0,5 bar in's Rennen geschickt.
Und: datt läuft!! Um dem Hodag 27.5 x 3.8* mal so richtig auf die Zähne zu fühlen, haben wir ihn zum Test in die Trailhölle von Finale Ligure geschleppt. Und weil Bikeshuttle nicht so unser Ding ist, geht es da naturgemäß erstmal bergauf. Und das macht mit dem Hodag so richtig Laune! Egal ob Asphalt, Schotter oder Waldboden – die Pelle rollt leicht und flockig nach vorn. Du hast immer das gute Gefühl, dass deine Kraft nicht irgendwo in der Karkasse versackt. Es geht einfach nur nach vorn. In dieser Disziplin kann er durchaus mit Größen der Leichtlauf-Welt aufnehmen.
Schienen auf dem Trail
Aber: dafür braucht man kein exotisches 650 FAT Format… Sein volles Potential entfesselt der Reifen dann jedoch auf verwinkelten Single Trails. Durch den etwas größere Raddurchmesser verbessert sich das Abrollverhalten nochmal leicht. Dazu schluckt der Reifen Unebenheiten gierig und sorgt für viel Komfort. Wirklich krass ist aber die Spurtreue. „Wie auf Schienen“ ist ja eine Beschreibung, die man nicht zwingend intuitiv mit einem FATBike Reifen verbindet.
Aber genau DAS beschreibt den Bontrager Hodag 27.5 x 3.8* am besten. Hintergrund: zum einen baut er, gemessen am Gesamtdurchmesser, relativ flach und zum anderen steht er nur wenige mm links und recht über die Felge – und stützt sich damit nahezu perfekt ab. Das führt zu einem Einlenkverhalten, das so im FATBike Segment konkurrenzlos sein dürfte. Egal, wie zackig du in die Kurve schießt und egal, wie hart die Lastwechsel sind – nichts walkt oder gibt nach. Der Hodag führt das Bike einzigartig wie am Schnürchen durch jede Kurve. Und das alles ohne spürbaren Autosteer-Effekt. Wow, so breit haben wir selten gegrinst!
Alles hat seinen Preis…
Aber wie sagt man so schön: umsonst ist nichtmal der Tod… Und das breite Grinsen ist uns auf den felsigen und knochentrockenen Schotter-Abfahrten in Finale schnell vergangen. Leider hat der Hodag in dieser Disziplin absolut keine Kohlen im Feuer. Das war natürlich nur zum Teil überraschend, denn die kleinen Stollen und die relativ geringe Auflagefläche bauen – gerade auf Schotter – nur begrenzt Traktion auf. Und im Gegensatz zu noch schmaleren Downhill Reifen besteht der Hodag aus recht hartem Gummi, was dem Grip nicht direkt hilft. Er ist einfach nicht für sowas gedacht bzw. gemacht.
Zum Totalversagen kam es aber immer dann, wenn es richtig verblockt wurde. Neben einer tiefen Delle in der Felge hat pro Tour mindestens ein Schlauch das Zeitliche gesegnet. Und da hätte nichtmal Tubeless geholfen: ein Einschlag hat die Felge dermaßen verformt, dass eine Speiche das Dichtband zerstochen hat.
Forensische Problemsuche
Zugegeben: die Testfahrt war auch nicht direkt zimperlich. Aber so ein Ergebnis hatten wir nicht erwartet. Selbst bei 0.8 Bar Druck kam es zu Pannen. Erst eine Videoanalyse mittels auf den Reifen gerichteter GoPro* und eine genaue Inspektion der defekten Revoloops haben das Problem entlarvt.
Dadurch, dass die Reifenflanken auf einer 80mm Felge nahezu senkrecht auf über dem Felgenhorn stehen und der Reifen eben auch recht flach baut, bietet der Hodag 27.5 x 3.8 praktisch keinerlei Schutz gegen Einschläge, die seitlich über ihn herein brechen. Selbst leichte seitliche Treffer in flachem Winkel sorgen schon für Snakebites, große Brocken kann der Hodag nicht abwehren.
Was lernen wir daraus?
Diese Erkenntnis bringt uns zu mehreren Schlussfolgerungen. Zum einen ist 80mm für einen 3.8er Reifen wohl nicht die optimale Felgenbreite. Um es klar zu sagen: die vielen Durchschläge sind kein Hinweis auf einen besonders empfindlichen Reifen, der Hodag ist ansonsten absolut unauffällig. Das Problem kommt daher, dass die verwendete 80mm zu breit – oder der Reifen dafür zu schmal – ist. 63mm Felgenbreit wäre, wie immer wieder empfohlen, definitiv besser. Allerdings gibt es hier in 27,5″ kaum noch fertige Laufradsätze.
Dann sollte man, so lange man nicht 100% ausschließen kann, dass der Reifen mit seitlichen Treffern konfrontiert wird, unbedingt Tubeless fahren um sicher unterwegs zu sein. Und drittens ist der Bontrager Hodag 27.5 x 3.8 zwar ein exzellenter – wenn nicht sogar der beste – Reifen für zackige Single Trails. In wirklich grobem Gelände wirkt er aber ein wenig verloren, wir würden ihn dort nicht einsetzen. Was jedoch bei einem schlanken 3.8er auch nicht wirklich eine Überraschung ist.
Was bleibt?
Das führt uns zum (diesmal etwas ausgiebigeren) Fazit zum Bontrager Hodag 27.5 x 3.8. Und zugegeben, in Finale Ligure hatte er es extrem schwer – aber um so fundierter ist unser Ergebnis. Wenn sich ein FATBike Reifen dadurch auszeichnet, dass er in jedem – und vor allem groben – Gelände funktioniert, dann wäre dieser Hodag wohl keiner. Aber das wäre zu kurz gedacht. Denn zum einen müsste man fairerweise einen zweiten Test auf einer schmaleren Felge machen (werden wir, wenn wir einen Laufradsatz finden). Und zum anderen ist der Hodag in Grip und Float weiterhin jedem klassischen MTB bzw. 650B+ Reifen haushoch überlegen.
Der Hodag lebt er irgendwie in einer Zwischenwelt, denn nichtmal seine unfassbar gute Performance auf verwinkelten Trails passt zum klassischen FATBike Reifen: die hohen und breiten Pellen, die wir üblicherweise installieren, können hier einfach nicht mithalten.
Der Bontrager Hodag 27.5 x 3.8* ist also ein Reifen, den man richtig einsetzen muss, damit er sein volles Potential entfaltet und dabei konkurrenzlos ist. Er hat Vorteile, die ihn von nahezu allen anderen FATBike Reifen abheben und deutlich in Richtung XC Race bzw., wie man neuerdings sagt, „Downcountry“ bringen. Wie immer im Leben erkauft man diese Vorteile an anderer Stelle – und das muss einem bewusst sein. Mit einem Hodag fährst du deinen FATBike Kumpels in vielen Lebenslagen davon – in anderen werden sie dich dann aber wieder einholen. Er ist ein Reifen, der in Situationen abliefert, in denen typische FATBike Reifen nicht direkt zu Höchstleistung auflaufen. Er erweitert das Spektrum und die Einsatzmöglichkeiten. Ist er ein FATBike Reifen? Er ist ein Reifen für FATBikes. Und es ist gut, dass es ihn gibt!
Hi Matt,
danke dir für diesen tollen, tiefgründigen und objektiven Artikel. Ich fahre diese Reifen auf meinem Farley bereits seit 4 Jahren und mit denen macht man Meter! Ich hatte bisher noch keine Situation, in denen mich die Reifen im Stich gelassen habe. Ich gebe allerdings zu, dass ich mit denen keine Klippen herunterfahre, sondern mich vorwiegend auf Asphalt, Waldwegen, Schotter und (hoffentlich bald wieder) Schnee bewege.
Die Revoloop Schläuche sind schon seit Jahren als Bookmark bei mir gespeichert, aber mir war bislang keine Fatbike-Version bekannt.
Meine Frage an dich: Habt ihr tatsächlich die 26×3.8 Revoloop Schläuche auf einer 27.5 Felge montiert? Das hat funktioniert?!
Liebe Grüße
Tobias
Ich suche ausgediente FatBike Mäntel für ein UpCycle Projekt. Mäntel die sonst weggeworfen werden – ab 4Zoll für MTB also mit Stollen
Wäre klasse hier fündig zu werden.
Hallo Christine,
wohnst du zufällig im Bereich der PLZ 77815? Habe 4 Stück 26“x4.0“ Kenda Juggernaut Sport 60TPI (nicht faltbar!) zu entsorgen. 2 Stück neu, 2 Stück halb abgefahren. Der Reifen bereitet mir kein Fahrspaß und gehen in den nächsten ca. 7 Tagen auf den Sperrmüll (Sperrmüll ist angemeldet, ich warte noch auf die Nennung eines Abholtermins). Habe noch 2 dazu passende Butyl-Schläuche.
Versand scheitert an der Beschaffung eines 90x90x45cm Kartons und am Faktor (Lebens-)Zeit.
Du kannst mich unter merik@web.de erreichen.
Grüße, Erik
Meine Freundin kommt mit 27,5 x 2,5 auch sehr gut klar in Finale.
Aber Sie ist ja auch „small“ und ihr Bike ist nicht fat sondern fully und nur die suspension is long.
Hi,
danke für Deinen Kommentar! Das glauben wir sofort, gerade ein Fully hat natürlich ganz andere Reserven. Die 27,5×2,5 haben sicher auch deutlich schmalere Felgen. Von daher ist man mit der Kombination sicher sehr gut unterwegs!
FATte Grüße
Matt