Wenig hat das friedliche und respektvolle Zusammenleben unserer Zeit so nachhaltig beschädigt wie „Geiz ist geil!“. Wo früher Respekt und Wertschätzung für die Leistung anderer stand, hat sich heute ein ausgeprägter Fokus auf den eigenen Vorteil breit gemacht. Ein faires, vielleicht sogar günstiges Angebot erregt heutzutage fast schon Misstrauen. Da ist doch was faul, wo ist der Haken? Womit wir bei Silverback wären, einer Marke, die vielen Bikern angesichts der spärlich beschrifteten Preisschilder ihrer FATBikes ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Aber was verbirgt sich hinter dem Hersteller, dessen Preise so aggressiv sind wie die Farben seiner FATBikes? Was hat Silberback vor, wo wird gespart und wer zahlt am Ende die Rechnung? Und natürlich: wie stark ist die Verbindung zum FATBike und was können wir erwarten? Wir waren im deutschen Silverback Hauptquartier und haben live vor Ort nachgefragt.  

Alles, außer Hochdeutsch

Leicht zu erkennen: hier sind wir richtig!

An einem grauen Mittwoch Morgen im Februar sind wir der Einladung von Silverback gefolgt und haben wir uns auf den Weg nach Nürtingen in der schönen Schwäbischen Alb gemacht. Hier gibt es bekanntlich alles, außer Hochdeutsch: herrliche Landschaft, beschauliche Städte, nette Menschen, eine gesunde Wirtschaft. Und hier ankert auch das Mutterschiff von Silverback. Auch, wenn die Wurzeln in Südafrika liegen, wo vor einiger Zeit der Grundstein gelegt wurde, ist Silverback inzwischen in Deutschland beheimatet. Das moderne Hauptquartier thront ganz oben am Hang über einem Gewerbegebiet. Von hier oben schweift der Blick sehnsuchtsvoll über die umliegenden Hügel mit ihren Single Trails.

Marc und Matt im Showroom (Foto: T. Holzinger – www.tobiasholzingerfoto.de)

Der luftig verglaste Bau ist das Herzstück der Marke, denn hier sitzen nicht nur die Ingenieure und Produktmanager, sondern auch die Montagewerkstatt. Drinnen ist dann auch ein vollständiges Universum untergebracht, vom Warenlager über die Montagewerkstatt, Entwicklungs- und Chefbüros, Besprechungsräume bis hin zu einem großen Showroom, in dem sich alle aktuellen Modelle – derzeit ca. 120 – von Silverback um einen riesigen, interaktiven Bildschirm scharen. Dazu gibt es noch Auslagen aller Eigenmarken für Komponenten, Klamotten, Helme, etc. zu bestaunen. Und all das mit hausgemachtem Kaffee. Das alles versprüht den Anspruch an Innovation und Fortschritt, den Silverback hat. Abgesehen davon ist es aber auch ausgesprochen gemütlich!

Dieses Testbike war mal bei uns!

Aber wir nicht nicht zum Kaffee trinken gekommen. Wir treffen uns mit Elena Retief, Leiterin der globalen Markenkommunikation von Silverback und Marc Gölz, der als Marketingchef arbeitet, zum Interview.

Auf den Zahn gefühlt: in der Höhle des Gorillas

Im Interview (Foto: T. Holzinger – www.tobiasholzingerfoto.de)

Im Notizbuch standen eine Menge Fragen, viele – eigentlich die meisten – davon haben wir im Laufe der Zeit aus Euren Kommentaren, eMails oder Gesprächen gesammelt. Insofern sind hier sicher eine Menge interessanter Infos dabei. Dabei ist das Interview zweigeteilt: einen Teil haben wir hier aufgeschrieben, die anderen findet Ihr – für uns absolutes Neuland – im Video am Ende des Artikels. Also, los geht's!

Elena, woher kommt Silverback?
Elena: Mein Mann war Importeur der amerikanischen Fahrradmarke und ist seit weit über 30 Jahren in dieser Branche tätig. In 2004 hat er seine eigene Bikemarke gegründet. Vor vielen Jahren ist er dann aus Südafrika nach Deutschland gezogen und hat das Hauptquartier der Marke hier angesiedelt.

Wenn Du Eure Marke mit einem Wort beschreiben müsstest – was wäre das?
Elena: Innovativ. Unser Anspruch ist, voraus zu denken, fortschrittliche Designs zu entwickeln und damit schnellere, leichtere und bessere Bikes zu bauen. Dafür haben wir bereits viele Auszeichnungen bekommen, z.B. den IF Design Award, den Eurobike Award, den German & Innovation Award und den Design & Innovation award.

Ein bisschen Ahnengalerie im Lager

Wo liegen Eure Wurzeln und wie seid Ihr zum FATBike gekommen?
Elena: Wir haben schon immer Mountainbikes gebaut. Silverback wollte von Anfang an Bikes bauen, wie Biker sie sich wünschen. Als dann das FATBike aufkam haben wir uns gedacht „Hey, das ist cool, das gibt ganz neue Möglichkeiten, das wollen wir unseren Kunden anbieten!“ und haben dann direkt unsere erste FATBike Reihe produziert.

Wenn Ihr ein FATty entwerft, an wen denkt ihr da, wer ist euer typischer „FATBiker“?
Marc: FATBikes sind natürlich ein spezielles und besonderes Produkt. Und wir bauen es dementsprechend für besondere Menschen. Ein FATBike ist ein perfektes Drittbike für besondere Abenteuer, um Strände, Sand, Geröll oder Schnee entdecken zu können. Nimm allein unsere Farben – so eine breite und knallbunte Palette haben wir nur bei FATBikes…

Bunt und auffällig!

…also sind FATBiker für ein vor allem Menschen, die auffallen wollen?
Marc: Nein. Oder naja, sagen wir „auch“. Natürlich muss man schon ein Stück weit extrovertiert sein, man wird ja ständig angestarrt und angesprochen. Aber Menschen, die FATBikes fahren, sind für uns auch Typen, echte Charaktere. Es sind Menschen, die ihre eigenen Wege gehen und sich nicht darum scheren, was andere von ihnen denken. Und Menschen, die sich was trauen und einfach machen statt immer nur zu reden.

Und wie ist das bei Euch? Muss man besonders sein, um FATBikes zu bauen?
Marc: Bei Silverback arbeiten wir grundsätzlich nur an Projekten, auf die wir auch selbst Bock haben. Wenn wir etwas nicht spannend finden, lassen wir es bleiben. Wir hatten von Anfang an große Lust auf FATBikes uns das hat sich nicht geändert. Übrigens auch nicht bei unseren Kunden!

Lagebesprechung in der Werkstatt

FATBiken Eure Entwickler selbst?
Elena: Ja, wie gesagt: wir arbeiten nur an Projekten, die wir selbst gut finden. Wer bei uns nicht selbst FATBike fährt wird auch keins entwickeln, der arbeitet dann vielleicht an Rennrädern oder Mountainbikes. Was ihm eben liegt.

Bis auf eine Ausnahme haben alle Eure FATBikes den gleichen Rahmen. Warum ist der genau so, wie er ist, was Geometrie und Features betrifft?
Elena: Zuerst mal ist es so, dass wir ausschließlich selbst entwickelte Rahmen und Gabeln einsetzen, das heißt wir bestimmen alle Parameter genau so wie wir sie haben wollen. Wir wollen ein FATBike bauen, dass für eine möglichst breite Gruppe von Fahrern passt. Dafür haben wir z.B. sehr lange an der Geometrie gefeilt und wir finden, dass die Geometrie eine unserer großen Stärken ist. Der Rahmen ist dann unsere Basis, um über die Bestückung mit Teilen einzelne Modelle für bestimmte Einsatzzwecke zu bauen. Außerdem wollten wir auch immer die FATBike typischen Dinge bieten, Anbaumöglichkeiten für Gepäckträger, Schutzbleche und Flaschenhalter, z.B..

Montage der Bikes

Zur vielleicht spannendsten Frage: der Preis. Viele Teile stammen oft aus der Vorsaison, okay, aber die in der Branche beliebten versteckten Sparmaßnahmen wie billige Innenlager oder Naben scheint es nicht zu geben. Wie baut man ein Bike, das kaum mehr kostet als der Ladenpreis seiner Laufräder?
Elena: Zuerst mal sind wir ein Hersteller, kein Importeur. Das heißt, wir stellen die Bikes selbst und verkaufen sie dann in derzeit 49 Länder. Damit kommen wir auf sehr hohe Stückzahlen. Das und unser gutes Netzwerk bei den Zulieferbetrieben sichert uns gute Preise und wir können unsere Kosten niedrig halten.

Aber niedrige Kosten machen noch lange keinen niedrigen Preis…
Elena: Wir bauen Bikes für Menschen – und sind der Meinung, dass sich jeder ein FATBike leisten können sollte. Uns ist wichtig, Bikes anzubieten, die unsere Kunden nicht arm machen. Es gibt im wesentlichen 2 Arten von Marken: die einen, die versuchen den Kunden mit aufwändigem Marketing davon zu überzeugen, mehr Geld für sein Bike auszugeben, meistens viel mehr Geld als nötig. Und es gibt die anderen, die hart arbeiten um ihre Kosten niedrig zu halten und diesen Vorteil dann an den Kunden weitergeben.

Da stehen ein paar Bikes…

Und Ihr zählt Euch zur zweiten Gruppe?
Elena: Ja, genau. Wir haben da unsere ganz eigene Philosophie: BIC – Best in Class. Das bedeutet für uns, dass unsere Kunden modernste Technologie zum erschwinglichen Preis erhalten, sprich Rahmendesign, Gewicht, Fahrradausführung, Design und Ausstattung – alles zum fairen Preis. Wie gesagt, wir verstehen uns als „Brand for the People“ – eine Marke für Menschen.

Zum Thema „Mensch“. Du hast erwähnt, dass ihr viel Arbeit in Eure Verpackung gesteckt habt um Euren Kunden das Leben einfacher zu machen.
Elena: Genau, wir haben unsere Bike Verpackung komplett überarbeitet. Der neue Karton hinterlässt weniger Müll und ein Teil davon kann sogar als Bikeständer benutzt werden. Außerdem montieren wir die Bikes inzwischen fahrfertig vor. Heißt: wenn ein Silverback Bike bei dir ankommt, packst du es aus, machst den Lenker gerade und kannst sofort losfahren. Wir möchten, dass unsere Kunden möglichst schnell und unkompliziert Spaß mit ihren Bikes haben.

Nur der Anfang: das S-Elektro

Zur Zukunft. Den ersten Anlauf, FATBikes in Europa zu platzieren, hat die Bikewelt erst lieblos betrieben und dann sauber versemmelt. Die meisten Glücksritter haben den Markt inzwischen verlassen. Ihr seid noch da, was uns natürlich sehr freut. Aber was wollt Ihr tun, damit das FATBike weiter verbreitet wird?
Elena: Ja, das ist nicht optimal gelaufen. Aber das heißt nicht, dass das Thema tot ist. Im Gegenteil. Wir haben einen sehr stabilen Kundenstamm und das FATBike ist für uns ein ganz wesentliches Produkt geworden. Unsere Strategie ist, wie ich schon gesagt habe: wir möchten ein sehr gutes Produkt anbieten und das zu einem Preis, den sich jeder leisten kann. Außerdem haben wir Ideen für Events und Projekte, die wir gern angehen würden – am liebsten zusammen mit Euch.

Interview, Teil 2

Den zweiten Teil des Interviews, unter anderem mit spannenden Fragen zur Fertigung in China, findet ihr in diesem Video:

Was bleibt?

Blick auf das Silverback Hauptquartier

Zugegeben – wir waren durchaus überrascht von dem, was wir bei Silverback vorgefunden haben. Statt ausgeprägtem „Geiz ist geil“ gab es viel Dynamik, Leidenschaft, ja fast schon Idealismus. Natürlich ist Silverback nicht die Wohlfahrt, handelt nicht aus reiner Gutmenschlichkeit und möchte auch Geld verdienen. Bei aller gegebenen Skepsis – auch das Papier unserer Notizbücher ist natürlich geduldig – scheint uns die Firmenphilosophie von Silverback trotzdem auf eine sehr angenehme Art und Weise ein wenig aus der Zeit gefallen. Statt höher, schneller, weiter, besser, mehr, krasser, und, und, und versucht Silverback ein Stück innovativer und vor allem ein Stück fairer zu sein. Die Zeit wird zeigen, wie ernst es die relativ junge Marke damit wirklich meint – und wie erfolgreich sie sein wird. Aber bis dahin erlauben wir uns, auch mal wieder an das Gute im Menschen glauben.

2 Responses

  1. Stefan

    Hallo
    Danke für den Artikel. Leider immer noch Nichts über das im März erwartete Fat-Hardtail mit Shimano Antrieb. Bei meinem Besuch im Oktober wurden schon Zeichnungen gezeigt. Meine E-Mail Rückfragen wurden auch nicht beantwortet.

    Antworten
    • Matt

      Servus Stefan,

      danke für Deinen Kommentar! Sagen wir so: wenn es dazu schon etwas Offizielles zu sagen gäbe, wäre es bereits im Artikel gewesen ;). Du kannst aber sicher sein, dass Du alle News brandheiß bei uns finden wirst!

      FATte Grüße

      Matt

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