Unseren Artikel zum Vittoria Airliner für FATBikes müssen wir mit einer Entschuldigung beginnen. Waren wir doch am Anfang der Meinung, es hier mit dem sinnlosesten Produkt unserer bisherigen Redaktionslaufbahn zu tun zu haben: ein Durchschlagsschutz für Tubeless Reifen. Oder anders gesagt: eine Lösung ohne Problem. Aber FAT-Bike.de überrollt ja bekanntlich Vorurteile. Auch unsere eigenen. Und so kam es zu diesem Artikel.

Der Vittoria Airliner für FATBikes

Eingesackt: 2 Airliner zum Testen

Worum geht es? Der Vittoria Airliner für FATBikes ist ein Formkörper aus Schaumstoff, der zum Schutz vor Durchschlägen und Schäden an der Felge im Reifen montiert wird. Nicht nur ihre Herkunft aus dem Land der Pasta brachte den Dingern unseren internen Projektnamen „Schwimmnudel“ ein. Auch die Optik erinnert stark an jene Schaumstoffwürste, auf denen gestresste Großstädter am Wochenende über den Badesee treiben.

Schwimmnudel

Die Idee ist dabei einfach: der Airliner ersetzt einen Teil der leicht zu verdrängenden Luft im Reifen gegen einen formstabilen Festkörper mit ca. 5cm Durchmesser. Erwischt man nun ein Hindernis mit Durchschlagspotential,  fängt der Airliner den Einschlag auf und verhindert, in gewissen Grenzen, Schäden an Reifen und Felge. Der Vittoria Airliner für FATBikes adaptiert diesen, im MTB Bereich durchaus erfolgreichen, Ansatz für Fatties. Nur: ein Durchschlagschutz am tubeless FATBike ist in etwa so sinnvoll wie ein Seitenständer am Space Shuttle. Und dann wiegen die Dinger auch noch gute 250 Gramm das Stück. Was ein Quatsch!

Mehr „FAT Mama“ als bella figura

Die Montage: solo tubolesso!

Okay, Italienisch war das nicht. Aber das Dilemma ist klar: ein Vittoria Airliner für FATBikes ist ein Einzelkind. Airliner UND Schlauch sind unmöglich gemeinsam zu montieren. Man muss zwingend auf tubeless Montage bauen. Dabei ist die Montage an sich simpel: Reifen runter, Airliner um die Felge legen, Maß nehmen, ablängen, 2 Löcher für den Kabelbinder bohren, festzurren, Reifen montieren. Hat man den Airliner korrekt abgeschnitten schlabbert er auch nicht im Rad herum.

Anlegen…

…ablängen…

…anbohren…

…festzurren!

Hier zeigt sich aber eine gravierende Schwäche: zickige Reifen, die man nur mit Vormontage mittels Schlauch (siehe unsere Tubeless Tipps) gebändigt bekommt, scheiden leider aus. Außer, man fummelt den Vittoria Airliner für FATBikes irgendwie in den einseitig montierten Reifen. Geht, aber für diesen Versuch empfehlen wir ausreichend Valium.

Kann das was? Das kann was!

Der Reifen geht leicht drüber, aber nur schwer wieder runter.

Also, die Montage ist locker lässig machbar. Aber kommen wir zurück zur Kernfrage: was bringt die Schwimmnudel im Reifen? Laut Etikett ist der Airliner für FATBikes für Reifen bis vier/null ausgelegt. Wir haben das natürlich direkt ignoriert und uns den Surly Edna 4.3 als Testpelle heraus gepickt. Nicht wenige akzeptieren vier/null ja immer noch nicht als FAT Bike. Auf Dichtmilch haben wir bei der Montage verzichtet – wir wollten ehrliche Ergebnisse.

Weiter eindrücken geht nicht.

Auf den ersten Metern Skepsis: ehrlich, das bringt doch alles nix… Beim normalen Fahren merkt man einfach mal gar nichts vom Airliner. Aber nach einer Weile haben wir unsere intuitive Vorsicht abgelegt und unseren Mondraker Panzer RR mit roher Gewalt über Wurzeln und Geröllfelder unserer Thüringer Heimat gejagt. Und tatsächlich: trotz einiger heftiger Einschläge sind Schäden ausgeblieben. Man merkt sogar, wie manche Volltreffer unerwartet weich aufgefangen werden. Hat was! Wir bezweifeln zwar weiterhin, dass wir ohne den Vittoria Airliner für FATBikes platte Reifen geerntet hätten. Aber zumindest für die Felgen ergibt sich ein nennenswerter Schutz. Auch, wenn es natürlich das Leichtbaukonzept ad absurdum führt – sündteure Carbonfelgen kann man so zielsicher vor vorzeitigem Ableben schützen.

Dafür allein braucht man das aber nicht.

Welcome. Testfahrt in unserer Thüringer Heimat

Trotzdem, der Mehrwert hält sich in Grenzen. Aber dann haben wir angefangen, ein paar Sachen auszuprobieren. Erster Check: Notlaufeigenschaften. Zugegeben, FATBike Reifen haben kaum natürlich Feinde außer Landminen – und die stellen in unseren Breiten zum Glück keine nennenswerte Gefahr dar. Aber auch Scherben, scharfkantige Steine oder Äste können Tubeless Reifen irreparabel außer Gefecht setzen. Und manchmal versagt auch einfach die Dichtmilch. Tatsächlich erlaubt ein Satz Vittoria Airliner in gewissem Maße eine Weiterfahrt. Allerdings muss dann sehr gefühlvoll fahren und genau auf Richtung und Untergrund achten denn der platte Reifen schlabbert wild auf der Felge rum. Am besten klappt das, wenn wenigstens noch ein klein wenig Luft im Reifen ist, sonst bleibt selbiger schnell am Rahmen hängen. Aber immerhin: zu ALLER Not kommt man irgendwie weiter.

Wurzeln und Brocken. Check!

Einen wirklich spannenden und unerwarteten Effekt haben wir aber an ganz anderer Stelle gefunden. Wie oben gesagt ersetzt der Vittoria Airliner für FATBikes Luft durch feste Materie. Damit verringert sich das Volumen der Luftkammer im Reifen – ein Effekt, den wir von Federgabeln kennen (siehe unsere Erklärungen zu Manitou Mastodon). Theoretisch sollte das das Federverhalten beeinflussen. Und da war sie weg, die Skepsis – denn das klappt tatsächlich!

Progressiver Ansatz

Auch bei Vollgas mit wenig Luft keine Probleme

Durch das kleinere Luftvolumen lässt sich der Reifen nicht mehr so leicht zusammendrücken, er fährt sich bei gleichem Luftdruck etwas fester. Analog einer Federgabel könnte man sagen, er wird progressiver. Wir haben dann den Druck von 0.45 auf 0.35 bar abgesenkt und unser Blaues Wunder erlebt: unsere Ednas waren genauso stabil und zuverlässig, wie bei 0.45 bar ohne Airliner. Aber sowohl die Traktion in Kurven und beim Bremsen als auch der gefühlte Fahrkomfort haben sich sehr deutlich verbessert. Und weil wir ja keine Durchschläge mehr fürchten mussten, konnten wir so einen ordentlich Performance Gewinn aus unserem Bike kitzeln. Zugegeben, dieser Einsatz dürfte nicht für jeden FATBiker eine Rolle spielen. Aber es ergeben sich da durchaus spannende Ansätze, sein Fatty noch besser auf den eigenen Fahrstil abzustimmen!

Was bleibt?

Nudel, wir haben dich unterschätzt!

Eine Lösung ohne Problem. So fing es an. Aber am Ende sammelt der Vittoria Airliner für FATBikes viele kleine Pluspunkte, und die summieren sich am Ende zu einem durchaus sinnvollen Produkt. Allerdings gibt es für „sinnvoll“ ein paar Voraussetzungen. Erstens muss man bereit sein, sein Fatty Tubeless zu fahren. Zweitens muss der Einsatz entweder die passenden schroffen Untergründe, den aggressiven Fahrstil oder die typischen Gefahren für den Reifen beinhalten. Und drittens muss man bereit sein, sich insgesamt fast ein Pfund zusätzliches Gewicht in die Räder zu stecken. So gesehen dürften die „Schwimmnudeln“ beim Fatty ein ziemliches Nischenprodukt sein. Wer sich aber von den drei Punkten angesprochen fühlt und gern mal was ausprobiert darf hier beherzt zugreifen.

7 Responses

  1. Bernd

    Servus,

    ich finde es gut, daß Ihr auch Produkte testet die auf den ersten Blick……na sagen wir mal …..erscheinen.
    Viele hätten wahrscheinlich sofort gedacht: Was soll der Quatsch.
    OK…..ich auch….
    Aber Ihr habt sehr akribisch gesucht und tatsächlich positive Eigenschaften gefunden.

    Gefällt mir, weiter so!

    FATte Grüße Bernd

    PS: Ich brauch diese „Nudel“ aber trotzdem nicht 😉

    Antworten
  2. Mike

    Vittoria, with it’s super heavyweight Bomboloni and Canolli tires gave us something to make our wheels even heavier. Nice.

    BTW – why everyone say that You need to seat a fat tire with a tube first before putting the sealant in? I seated a 4.8 JJ LiteSkin on DT BR 710 (both deemed not-tubeless ready by manufacturers) directly with Caffelatex in – not even a drop of sealant leaked outside…

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    • Matt

      Hi Mike,

      thanks for your comment. This Vittoria stuff is pretty heavy weight indeed. However it’s also super tough stuff. If all you need is bullet proof wheels then Vittoria is your choice. We will publish the Cannoli test shortly and there are definitely benefits.

      Your JJ/DT combination is the easiest-to-mount tire/rim combination on this planet. We managed to handle this even without a compressor pump. Enjoy and be happy that your life is THAT easy. Once you try to shoot a Kenda Juggernaut onto a Sun Ringle rim you will know what this pre-mounting story is about 😉

      FAT regards

      Matt

    • Mike

      No, thank You, I’m fine with DT rims and hubs – they’re plenty strong and light. No need to switch to Sunringle, or Surly. 🙂

      As for Vittoria – I think they just found a solution for a problem they created themselves. Unless You really pound those fat wheels hard on some rocks, this product just doesn’t make any sense.

    • Matt

      Hi Mike,

      it wasn’t an offer, hahaha ;). No seriously, the idea to seat the tire with a tube first relates to those tire/rim combinations that just don’t work. Which, by the way, is the majority to our experience.
      As we wrote in the article the airliner is a niche thing for those who crave for performance. It adds protection to the rim (most FATBike rims are more delicate than usual MTB rims, also there is no DH rim available) and makes the tire more progressive. So you can lower the pressure and gain traction without adding wobble. Not an average use, for sure. But if you’re into heavy trail riding and DH stuff this can make you faster and/or safe your ass at a point. If not that it, as you correctly said, just makes your bike heavier.

      FAT regards

      Matt

  3. peter

    Wär das auch was für Sanddünenfahrten, es gibt weiche Sandflächen wo man mit 0,45bar mitunter noch gräbt und mit 0,35bar aber eben grad noch durchkommt..
    In einer Gegend der Zentralsahara z.b. südtunesisches Militärsperrgebiet wo in hundert Jahren keiner vorbeikommt, wär das auch eine gute Überlebensversicherung, oder ?
    mit 0,35 bar vergrößere ich im Weichsand die Auflagefläche und steigere meinen Sandtauglichkeitswert noch mal, muß aber wahrscheinlich 50 Watt mehr mit den Beinen drauflegen ;-))

    Antworten
    • Matt

      Hi Peter,

      Prinzipiell ja, allerdings hat man auf Sand kein Durchschlagsrisiko. Im Prinzip reicht es da, wenn man mit dem Druck nach unten geht. Erhöhte Progression dürfte eher eine Untergeordnete Rolle spielen. In den von Dir beschriebenen Einsatzgebieten würden wir aber definitiv zum Vittoria Cannoli greifen. Test folgt. Den kannst Du stabil unter 0.3 bar fahren, das Profil ist kaum zu schlagen und der Reifen selbst dürfte kugelsicher sein. Alternativ ginge da auch eine Kombination aus Surly Bud und Lou, die ähnlich stabil bei geringem Druck sind und massives Profil haben. Die sind allerdings 500 Gramm leichter – bei Extremeinsätzen mit potentieller Lebensgefahr würden wir den robustesten Reifen nehmen, den die FATBike Welt zu bieten hat. Nach unserem aktuellen Wissen dürfte das eben der Cannoli sein.

      FATte Grüße

      Matt

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