Der Legende nach hat sich schon der große Hannibal auf seinem Weg über die Alpen mit dieser Frage rumgeschlagen: Federgabel ja? Oder nein? Und wer einmal auf den Spuren des legendären Feldherrn die Hügel im Süden auf seinem Fatty überquert hat – so wie wir einst – kommt aus dem Philosophieren oft nicht mehr heraus. Vorweg: wir haben auch keine Antwort auf diese Frage. Aber wir haben eine außerordentlich schicke Vertreterin dieser Gattung in unser Nicolai Konzept FATBike gesteckt: die Wren Upside Down Federgabel*. Und hier gibt's nun unsere Eindrücke – und auch ein wenig Philosophie.
Hoppla, die kenn ich doch…
…mag es jetzt dem einen oder anderen durch den Kopf schießen. Ja, da ist was dran – wer hier schon länger und aufmerksam mit liest, dem ist früher bereits eine ausgesprochen ähnliche Upside Down Gabel in unseren Artikeln aufgefallen. Und ja, die beiden Gabeln haben technisch, sagen wir mal „eine ganze Menge“ gemeinsam. Oder, um präzise zu sein: bis auf ein paar Modifikationen handelt es sich im Kern um Zwillinge. Aber bereits der Blick auf's Preisschild von 749,-* zeigt, dass sich hier was geändert hat!
Ist das schlecht? Nope, denn die Wren Gabel glänzt mit wuchtiger und robuster Technik, hochwertiger Verarbeitung und erprobter Funktion. Und mit korrekter, hochwertiger Verarbeitung bis in's Detail. So ist z.B. das Wren Logo sauber eingelasert anstatt einfach empfindliche Aufkleber drauf zu pappen.
Hier gibt's, mal wieder zum aufklappen, alle technischen Daten
FATFORK-IN-A-BOX (Drück mich!)
Model | Wren Upside Down Federgabel |
---|---|
Steuerrohr | Tapered |
Federweg | 110mm, 130mm, 150mm |
Gewicht | 2.150 Gramm (ohne Zubehör) |
Stand-/Tauchrohrdurchmesser | 36/43mm |
Reifenfreiheit | 5.05″ (auf 80mm Felge) |
Einstellungen | Zugstufe (stufenlos), Lock Out, Federweg, Bauhöhe |
Nabe/Achse | 150x15mm |
Offset | 45mm |
Bremse min/max | 160mm/203mm |
Etwas ganz besonderes…
…ist dagegen das Zubehör, welches bereits ab Werk mit geliefert. Neben – eigentlich selbstverständlichen aber doch hin und wieder fehlenden – Details wie einer Führung für die Bremsleitung lässt sich Wren nicht lumpen und wirft neben einem Travel Kit zur Anpassung von Federweg bzw. Bauhöhe auch noch ein echtes Highlight in die Box: Schutzbleche für die Standrohre aus echtem Carbon. Und selbst die Halteschellen dafür sind aus feinen Kohlefasern statt schnödem Aluminium gemacht. Besser geht's nicht! Die Standrohre sind übrigens unten bei dieser Gabel, denn sie ist ja „Upside Down“ – zu Deutsch in etwa „Oben unten“. Aber das klingt blöd. „Upside Down“ ist schon lässiger…
Aber wir schweifen ab. Um dem alten Problem nahezu aller Gabeln dieser Bauart, der geringen Verdrehsteifigkeit, zu begegnen, setzt Wren auf eine Schraubachse zur Befestigung der Nabe. Statt mit einem Schnellspanner wird die Achse hier mit einem Innensechskant-Schlüssel festgezogen. Die höhere Klemmkraft soll die ansonsten recht zappeligen Standrohre gegeneinander stabilisieren und damit besser in Form halten.
Die Technik: ausgereift, aber ohne Schmankerl
Die übrige technische Ausstattung ist überschaubar. Die Zugstufe ist einstellbar, die Druckstufe zumindest theoretisch auch – in der Praxis hat man im Prinzip aber nur die Wahl zwischen „auf“ und „zu“. Das bedeutet nichts anderes als das man die Gabel blockieren kann. Oder halt nicht.
Feinschmecker und Einstellungsfanatiker werden jetzt wohl die Nase rümpfen: viel ist das nicht. Auf der Habenseite steht aber klar, dass man mit der Wren Gabel eben auch praktisch nichts falsch machen kann. Sie kommt ohne Umschweife schnell zum Punkt: Federgabel. Nicht mehr, nicht weniger. Man muss die Wren Gabel nicht vor'm Biken zum Essen einladen. Sie macht einfach was sie soll, ohne Fragen zu stellen.
Mit der einzigartigen Möglichkeit, sowohl Federweg als auch Bauhöhe intern anpassen zu können, lässt sich der Ami zusätzlich optimal in die Geometrie des Bikes einpassen.
Unangefochten ist die Wren Upside Down Gabel dagegen beim Thema Wartung. Der Aufbau ist modular, praktisch jedes Teil kann einzeln entfernt, ggf. repariert und ersetzt werden. Und bis auf wenige Ausnahmen braucht man dazu nicht mal Spezialwerkzeuge. Hier macht sich die unkomplizierte Technik außerordentlich bezahlt: im Gegensatz zu einem High-Tech Produkt wie der Manitou Mastodon Pro lässt sich die Wren bereits mit rudimentären Schrauberkenntnissen umfassend warten.
Ein bisschen Voodoo
In's Reich des FATBike Voodoo gehört unserer Meinung nach das System der doppelten Luftkammer. Das Prinzip ist simpel: es gibt eine einzige, große Luftkammer mit zwei Ventilen: eins oben, eins unten. Über beide kann man die Kammer füllen. Dazwischen bewegt sich ein Kolben ohne nennenswerte Reibung oder Anschläge in der Luftkammer. Laut Hersteller verändern nun unterschiedliche Füllungen über das obere und untere Ventil die Position des Kolbens und damit das Ansprechverhalten der Gabel. Okay, in Nuancen stimmt das auch. Aber ganz ehrlich: wir würden keine Zeit darauf verwenden, hier irgend eine „optimale Abstimmung“ zu suchen sondern lieber Biken gehen. Die Unterschiede sind in der Praxis vernachlässigbar. Die große Luftkammer ist ein Segen an sich, egal ob mit oder ohne „Floating Piston“. Dazu gleich mehr.
Geht wie Schmidt's Katze
Und eins steht fest: in diesem Fall ist Schmidt's Katze kuschelig weich und FAT! Wir haben die Luftkammer mal pauschal auf 90 PSI aufgepumpt, was der Empfehlung des Herstellers entspricht. Die Zugstufe haben wir bereits nach den ersten paar Metern um 2 Umdrehungen geschlossen für mehr Bodenhaftung. So gerüstet haben wir das Konzept-Nicolai durch den Wald gepeitscht. Immer hart an Gas und Bremse. Die neue Schraubachse hat einen spürbar positiven Einfluss auf das Lenkverhalten. Das ist immer noch etwas schwammig um die Mittellage, aber in einem für uns erträglichen Maße.
Das Federverhalten ist über den gesamten Federweg nahezu linear, die Wren Upside Down taucht gleichmäßig ein und schluckt Hindernisse über ihren gesamten Federwegsbereich nahezu gleich gut. Allerdings braucht es hier ein wenig Gewöhnung, da die Gabel mangels Progression schneller mal durchschlägt. Das hat man aber schnell raus. Und durch den komplett blockierbaren Druckstufendämpfer kann man die Federarbeit jederzeit zu 100% auf den Reifen verlagern und ganz und gar puristisch FATBike fahren.
Gekocht hab‘ ich nix, aber schau, wie ich aussehe
Diesen, sagen wir mal leicht frivolen Spruch kennt man… Aber er passt hier super hin. Kommen wir zum philosophischen Teil. Nein, die Wren Upside Down Federgabel ist kein High Tech Produkt. Sie ist urig, aber schon allein deswegen passt sie gut zum FATBike an sich. Doch macht eine Federgabel das FATBike nun wirklich besser? Kommt auf den Einsatz an. Aber begeistert hat uns sowieso etwas Anderes: diese hier macht das FATBike aus unserer Sicht definitiv schöner! Diese übermächtigen 43mm dicken Tauchrohre (oben!)! Diese lasziv geschwungene Gabelkrone! Und alles an dem Ding ist schwarz! Die Wren Upside Down Federgabel ist einfach eine Schönheit. So wuchtig. So exotisch. So außergewöhnlich… Herrlich!
Ihr finales zu Hause wird sie nach aktueller Planung deshalb auch in einer urigen Schönheit sondersgleichen finden: einem unserer Specialized FatBoy Expert. Weil schöne Dinge nunmal schöne Dinge anziehen!
Was bleibt?
Die Wren Upside Down Federgabel gehört in die Kategorie „solide“: unkomplizierte Technik, modulare und damit extrem wartungsfreundliche Bauweise, keine komplizierten Einstellungen mit denen man alles nur schlimmer macht. Das und die lineare, vorhersehbare und ehrliche Arbeitsweise machen sie zur perfekten „hau-drauf“ FATBike Federgabel. Ein echter Ami, eben! Das lockt Technikfreaks wie uns zwar eigentlich nicht hinter dem Ofen vor. Aber dann ist da ja noch das außergewöhnliche Design. Auch, wenn das natürlich immer im Auge des Betrachters liegt: für uns gibt es derzeit einfach keine schönere Gabel.
Bei Interesse gibt's das Teil für die bereits erwähnte 749,- bei Alex*.
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Hallo, ich fahre seit kurzem dei WREN (150mm) auf meinem Kona WOZO. Was mir bisher aufgefallen ist, die Gabel hat effektiv nur einen Federweg von 145mm und wenn man die schönen Carbon Schützer für die Tauchrohre installiert, gehen weitere 10mm verloren. Um hier ein Durchschlagen und Defekte zu verhindern, kann man den Federweg über die Spacer in der Air Seite der Gabel verkürzen. Das sollte man wissen wenn man sich das schöne Stück installiert. Des weiteren habe ich, um einen vernünftigen Negativ Federweg zu behalten (60psi) und trotzdem ein Durchschlagen zu verhindern für mein Fahrergewicht (100kg) folgenden Weg gefunden. Anstatt an der unteren Luftkammer den Druck zu erhöhen, habe ich dort 20ml Gabelöl eingefüllt. Der Flowting Pisten dient hierfür als Trennkolben zwischen dem Öl un der oberen Luftkammer. Durch das verkleinern der Luftkammer mittels Öl hat sich bei mir die Progression gegen Ende deutlich erhöht und die Gabel schlägt nun nicht mehr an den Halteringen der Carbon Schützer an. Die Menge an Öl ist immer noch so gering das die Gabel noch komplett einfedern kann ohne das sich im Air Teil die Komponenten berühren. Das prinzig ist ähnlich wie bei der Mastodon mit dem IVA System, nur das hier die Luftkammer nicht über Spacer verkleinert wird, sondern man kann das qausi Milliliterweise (ml) machen. Bisher hat das bei mir sehr gut fuktioniert, ist allerdings nichts was vom Hersteller empfohlen wird und sicherlich in Bezug auf die Garantie negative Folgen haben kann.
Hallo Matt,
vielen Dank für den Bericht. Ich finde, insgesamt kommt bei Dir die Gabel ganz gut weg, allerdings wird von Dir nicht angesprochen, dass die Wren extrem anwenderfreundlich hinsichtlich der Wartung und Anpassung ist. Im Vergleich zu den Mitbewerbern ist das ein unbezahlbarer Vorteil. Darüber hinaus – ich fahre die Wren an einem Enduro – mache ich mir schon die Mühe, eine etwas filigranere Abstimmung vorzunehmen. Das Ansprechverhalten ist genial und bei meinen 74 kg habe ich bisher noch keinen Durchschlag gehabt. Interessant, so finde ich, sind auch die mitgelieferten Carbonschützer für die Gabelbeine. Da muss man schon lange suchen, um etwas Vergleichbares im Paket einer Federgabel zu finden.
Mit Interesse wandte ich schon auf einen Test von Jürgen Steiners McAir.
Herzliche Grüße und weiter so
Bernhard
Hi Bernhard,
vielen Dank für Deinen Kommentar, und Du hast absolut Recht. Die super einfache Wartung ist ein riesen Thema. Wir haben noch einen Absatz zu diesem wichtigen Thema aufgenommen, danke für den Hinweis!
FATte Grüße
Matt