Tech Talk: FATBike Kurbeln Teil 1 – Einbaubreiten und Kettenlinie

For an English version click here!

In diesem und dem nächsten Artikel unserer Rubrik TechTalk widmen wir uns dem spannenden Thema FATBike Kurbeln und Innenlager. Im ersten Artikel werden wir ein paar Basics erklären – Einbaubreiten, Kettenlinien, Q-Faktor, etc.
Im zweiten Artikel zeigen wir dann die praktische Anwendung am Beispiel des – unserer Meinung nach – derzeit wohl flexibelsten FATBike Kurbelsystem am Markt: den Next SL FATBike Kurbeln der kanadischen Kultmarke Race Face.

Was Leichtes zum Einstieg. Die Gehäusebreite.

Auf die Länge kommt's nicht an? Träum weiter!

Auf die Länge kommt's nicht an? Träum weiter!

Mountainbike-Rahmen kommen in der Regel mit Innenlagergehäusen, welche 68 oder 73 Millimeter breit sind. So'n Schmalspur-Kram ist nix für uns FATBiker – bei Tretlagerachsen von 170 oder sogar 190 Millimeter Breite wären die Lager viel zu weit innen! Bei den meisten uns bekannten FATBikes haben sich anständige 100 Millimeter Gehäusebreite etabliert, einige auf 4.0 Zoll Reifen optimierte Rahmen haben aber auch nur 80 Millimeter.

Ein Wort zum Q-Faktor

Nachgemessen: Q-Faktor von 180mm mit MTB Achsbreite

Nachgemessen: Q-Faktor von 180mm mit MTB Achsbreite

Toller Name, feine Sache: der Q-Faktor drückt den Abstand zwischen den Außenflächen der Kurbeln, gemessen am Pedalgewinde, aus. Noch einfacher: er sagt, wie weit die Füße auseinanderstehen. Im FATBike Bereich sind Q-Faktoren um 200 bis 230 Millimeter gängig.
Durch die unterschiedlichen Hinterbaubreiten am FATBike ist der Q-Faktor enorm wichtig. Ist er zu klein, bleiben die FATBike Kurbeln an den Kettenstreben hängen…

Jetzt wird's tricky: wer weiß, was „Offset“ ist, bitte Hand hoch!

FATBike versus Mountainbike. Die MTB Achse reicht nichtmal durchs Innenlager!

FATBike versus Mountainbike. Die MTB Achse reicht nichtmal durchs Innenlager!

Jetzt kommen wir direkt zum Angeberwissen, denn der Offset ist ein Relikt aus den frühen Zeiten der FATBikes, als Expeditionen und extreme Witterungsbedingungen im Vordergrund standen. Damals wurde nicht nur am Vorderrad die heute gängige 135  Millimeter Einbaubreite  etabliert – den Grund haben wir im Tech Talk über FATBike Naben beschrieben. Nein, es wurden auch asymmetrische Rahmen eingeführt.
Problem: eine 135er Nabe ist zu schmal: im ersten Gang kommt die Ketten nicht mehr am 4.8er Schlappen vorbei – der Freilauf sitzt einfach zu weit innen im Rad. Lösung Nummer 1: breitere Innenlager. Je breiter der Reifen, desto länger die Innenlagerachse. Aber wer will schon John Wayne mäßig mit fetten O-Beinen auf einem Bike mit 20 Zentimeter langer Innenlagerachse sitzen (Stichwort Q-Faktor!)…
Also braucht man außerdem Lösung Nummer 2: die Nabe muss – im Rad nach rechts verschoben -außerhalb der Mitte eingespeicht werden. So rücken auch die Ritzel nach außen und die Kette bekommt mehr Freiraum.
Da bei einem so stark asymmetrisch eingespeichten Hinterrad jedoch der Reifen nicht in einer Flucht mit Rahmen und Vorderrad läuft  (er wäre dann zu weit links), kam ein Kunstgriff zum Einsatz: der gesamte Hinterbau wurde komplett mit asymmetrischem Rad nach rechts verschoben – für einen 4.8er Reifen um ca. 28 Millimeter. So kommt der Reifen wieder in Flucht mit dem Rahmen und der Offset war geboren. Der verschobene (English:“offset“) Rahmen kompensiert damit das asymmetrische Hinterrad.

Wie die Naben 190 Millimeter breit wurden…

Perfekte Kettenlinie am Specialized FatBoy mit symmetrischem Rahmen und 190er Nabe

Perfekte Kettenlinie am Specialized FatBoy mit symmetrischem Rahmen und 190er Nabe

Das funktioniert, ist aber hässlich. Symmetrie ist fast immer schöner. Dazu jetzt mal eine Runde Kopfrechnen für Bike-Nerds: um das linke Ausfallende wenigstens wieder dort hinzubekommen, wo es vorher mal war, müsste man an die Nabe 28 Millimeter „verlängern“. Jetzt ist das rechte Ausfallende zwar immer noch 28 Millimeter weiter draußen, aber das linke schon mal wieder am originalen Platz. Damit der Hinterbau aber wirklich symmetrisch wird, muss das linke Ausfallende weitere 28 Millimeter nach links rücken und die Nabe nochmal um 28 Millimeter verlängert werden. Jetzt sind nicht nur beide Ausfallenden 28 Millimeter weiter außen als am MTB – die Nabe ist auch fast genau 190 Millimeter breit!  Bedeutet: mit 28 Millimetern Offset „simuliert“ man eine moderne 190 Millimeter Nabe – die Kassette steht exakt an derselben Stelle! Fetzt, oder?

Diese Rechnung klappt auch perfekt bei 4.0er Reifen. Die sind insgesamt 0.8 Zoll – also 2 Zentimeter – schmaler als ein 4.8er. Pro Seite macht das einen Zentimeter aus, entsprechend kann auch die Nabe pro Seite einen Zentimeter kürzer ausgelegt werden. Das erklärt, warum 170er Naben normalerweise bei 4.0er Reifen Anwendung finden.

Die Rechnung mit den 170er/190er Naben erklärt aber auch, warum der Offset heutzutage technisch unnötig und weitgehend verschwunden ist. Moderne Rahmen wie die unserer FatBoys werden i.d.R. symmetrisch ausgelegt.

Die Kettenlinie: immer schön geradeaus.

Abstand Ausfallende/Mitte Ritzel: 23mm. Der russische Messschieber lügt nicht!

Abstand Ausfallende/Mitte Ritzel: 23mm. Der russische Messschieber lügt nicht!

Die Kettenlinie trifft eine Aussage darüber, ob Kettenblätter und Ritzelpaket korrekt zueinander ausgerichtet sind. Als ideal gilt eine Kettenlinie dann, wenn die Kette zwischen Kettenblatt und Ritzel schnurgerade läuft und keine seitliche Belastung abbekommt.

Easy am Single Speeder, bei Schaltsystemen ist das aber nicht ganz so einfach. Ziel: der mittlere Punkt zwischen den vorderen Kettenblättern und das mittlere Ritzel (bzw. bei gerader Ritzelzahl der mittlere Punkt der Kassette) sollen genau in Flucht stehen. Anders gesagt: schaltet man vorn und hinten jeweils auf das mittlere Kettenrad läuft die Kette exakt gerade.
Ein so ausgerichtetes Schaltsystem weist im Normalfall den geringsten Verschleiß und den höchsten Schaltkomfort auf.

Warum muss man das nun wissen? Ist beim MTB doch auch (fast) wurst? Beim FATBike ist es wieder der Umstand, dass man unterschiedliche Hinterbaubreiten bekommen kann. Außerdem gibt es verschiedene Kurbelsysteme und Achslängen, da lohnt es sich, sehr genau hinzuschauen! Vor allem, wenn man sich neue FATBike Kurbeln zulegen möchte – so wie wir!
Erstmal ein wenig Theorie. Denn Kettenlinien kann man berechnen. Ist nicht zwingend nötig, aber hilfreich. Wobei man das rechnen an der Hinterradnabe macht. Grund: hier hat man, im Gegensatz zu den Kettenblättern, keinen Einfluss auf die Kettenlinie. Man rechnet also den Wert hinten aus und passt vorn an. Gemessen wird übrigens ausgehend von der Mitte der Hinterradnabe bzw. Mitte Innenlagergehäuse.

Wer selbst rechnen möchte, muss Folgendes wissen: Achslänge der Nabe (135, 170/177 oder 190/197), den Abstand zwischen rechtem Ausfallende und Mitte des Ritzelpakets (bei modernen 9/10/11-fach System normalerweise 23mm) und den Offset, so der Rahmen einen hat. Hier eine schrittweise Rechnung am Beispiel einer 190er Nabe:

1) Bestimmung der Nabenmitte: Achslänge 190 durch 2 teilen. Macht 95mm.

2) Offset (soweit vorhanden) addieren. Bei 190er Naben ist der Offset 0. Daher: 95mm + 0mm = 95mm

3) Abstand zur Mitte des Ritzelpakets abziehen: 95mm ./. 23mm = 72mm. Dieser Wert ist die Kettenlinie (=Abstand Mitte Kassette zur Nabenmitte)

In einer idealen Welt müsste hier also eine FATBike Kurbelgarnitur zum Einsatz kommen, bei der die Mitte aller Kettenblätter ebenfalls 72 Millimeter von der Mitte des Innenlagergehäuses entfernt ist. In der Praxis wird hier aber oft ein etwas höherer Wert genommen, um die nötige Bewegungsfreiheit für den Umwerfer zu schaffen und der Tatsache Rechnung zu tragen, dass man die meiste Zeit des Bikerlebens mit „Kette rechts“ verbringt ;).
Als Faustregel (spart die Rechnerei…) kann man sagen: FATBikes mit 190er Hinterbau liegen um 75 Millimeter Kettenlinie, 170er Hinterbauten bei ca. 65 Millimeter.

Was bleibt?

Die Eierlegende Wollmilchsau. Warum sagen wir Euch im nächsten Artikel!

Die Eierlegende Wollmilchsau. Warum sagen wir Euch im nächsten Artikel!

Achsbreite, Kettenlinie, Q-Faktor… Für uns eine eher lästige Welt der Zahlen. Aber es kann nicht schaden, sich hier ein wenig auszukennen. Denn: die falschen Teile sind schnell gekauft und die Enttäuschung in der Werkstatt groß. Und wenn nichts zusammenpasst, der Verschleiß hoch und der Schaltkomfort schlecht sind, ärgert man sich nur…
Und am Ende wollen wir ja doch alle nur das Eine: FATBiken, so oft und geil es geht!

Und hier geht's zum zweiten Teil des Artikels!

 

7 Responses

  1. Richard Weiser

    Hallo Fatbike Team,

    Ich habe auf meinen Bike Maxxis Minion 26×4,8 montiert. Vorher waren Kenda Juggernauts 26×4,00 montiert. Jetzt schleift an einer gewissen Stellen die Kette. Aber nur wenn ich hinten auf das größte Ritzel schalte und vorne auf das kleinste.
    Bin mir nicht sicher ob vielleicht die Felge einen „achter“ hat. Die Rahmenbreite vom Tretlager ist ca. 10cm, gibt es da unter Umständen ein breiteres?
    LG
    Richi

    Antworten
  2. Alexander Kassner

    Hi, ich bräuchte mal eure Hilfe. Ich fahre ein Cube Nutrail und habe dies auf 1×12 umgebaut mit SRAM Komponenten der GX Gruppe. Laut eurer Rechnung müsste es mit der Kettenlinie bei mir so aussehen:

    Achsbreite 197:2=98,5mm
    Offset am Kettenblatt vorne -4mm
    Mitte Kassette gemessen am 6.Gang zum Ausfallende 23,5mm
    Dann hätten wir 98,5mm + (-4mm) – 23,5mm =71mm

    Dann hätte ich eine Kettenlinie von 71mm. Laut den technischen Daten der SRAM GX FAT5 Kurbel ist die Kurbel für eine Kettenlinie von 76,5mm gedacht (ausgelegt für 190/197 Hinterbau so steht es in der Beschreibung des Herstellers)

    Heisst das, ich muss noch 5,5mm irgendwie ausgleichen?

    Die Kurbel ist montiert mit Spacern. Antriebsseite 6mm und Nichtantriebsseite 2mm

    Hintergrund ist folgender. Nach dem Einbau der GX Gruppe habe ich die Schaltung eingestellt, was mir eigentlich leicht von der Hand geht. Am größten Ritzel der Kassette springt mir jedoch immer wieder die Kette egal was ich einstelle. Das Problem habe ich nur auf dem größten Ritzel. Schaltauge etc. ist alles neu und ich vermutete den Schräglauf der Kette. Da kam mir dieser Beitrag in den Sinn.

    Nur kann ich nicht ganz folgen, wie man nun die 76,5mm der Kurbel mit meinen gemessenen 71mm ausgleicht.

    Ich würde mich über eine Antwort freuen.

    Grüße aus dem Fichtelgebirge

    Antworten
    • Matt

      Hi Alex,

      sorry für die späte Antwort, irgendwie ist uns dein Kommentar durch gerutscht… Die SRAM Kurbeln sind nach unserer Erfahrung generell nicht optimal abgestimmt weil die Kettenlinie eher nach außen verlegt ist. An meinem Norco habe ich z.B. ein Kettenblatt mit 0mm Offset verbaut – eher aus der Not heraus, weil ich kein anderes 34er bekommen habe (die „normalen“ Sram Blätter haben alle einen zu großen Offset und kommen dann wieder zu weit nach innen). Mit dem 0mm Blatt läuft die Schaltung, in meinem Fall eine aktuelle XTR, absolut perfekt. Was ich sagen will: um weiter nach innen zu kommen brauchst du ein anderes Kettenblatt und 0mm Offset – so du eins findest – bringe eine Menge.
      Dein Problem klingt aber nicht unbedingt nach Kettenlinie. Ich habe ein ähnliches Problem am Pole, aber da ist die Kettenlinie wegen der 190mm Achse wirklich extrem weit außen. Die SRAM Eagle Bikes laufen alle sauber.
      Hast du den Winkel des Schaltwerks korrekt eingestellt? Da gibt es doch diese eine Schraube, mit der man den Abstand des oberen Schaltröllchens zur Kassette einstellen kann. Passt das?

      FATte Grüße

      Matt

  3. alex

    Moin moin,
    die Idee mit dem Offset hatte der Liegeradpionier Werner Stiffel um das Hinterrad symmetrisch einspeichen zu können. Bei Standartfahrräder reissen die Speichen meistens hinten rechts, wo man unterwegs mangels Werkzeug zum Kassette oder Schraubkranz abziehen nicht ran kommt. Dies ist nicht Murphy’s Law sondern liegt an dem Umstand, daß in normalen Kettenschaltungshinterrädern die Speichen rechts steiler stehen und ungefähr 3 mal so viel Spannung haben wie die linken. Diese Idee wurde auch von seinem Freund Christian Kuhtz in den Bauanleitungen übernommen.

    🙂

    Antworten
    • Matt

      Hi Alex,

      danke für Deinen Kommentar. Interessanter Punkt mit den Liegerädern, und sicher haben die FATBike Pioniere nicht die Erfindung des asymmetrisch eingespeichten Rades für sich zu verbuchen 😉
      Dennoch war aus den genannten Gründen (vor allem 135mm Naben an Front und Heck) keine andere Möglichkeit machbar als asymmetrisch einzuspeichen. Für FATBikes der Anfangszeit war es DIE Lösung. Zum Glück gab es die, sonst würden wir heute noch auf schmal 2,1 Zoll Reifchen durch den Wald schleichen!

      FATte Grüße

      Matt

  4. Gino Niklaus

    Q Faktor für was braucht man das ???

    Wenn man sich ein Fat Bike selber auf Baut und dann die Kurbelgarnitur das nächste ist was man braucht sind die zwei wichtigsten angaben die man bei der Bestellung einer Kurbel braucht Lager Gehäuse breite am Rahmen und Hinterrad Naben breite ich habe 2 Fat Bikes das erste ist ein BOREALIS YAMPA Fat Bike mit Gehäuse breite 100mm und eine Hinterrad Naben breite 190mm da habe ich dann auf der Achse meiner Race Face Ride Kurbel Garnitur auf jeder Seite eine Distanzhülse von 11mm damit der Kurbelarm nicht am Rahmen Kratzt . Das zweite Bike ist ein FOES MUTZ Fat Bike mit einer Gehäusebreite von 100mm und Hinterrad breite von 177mm Neue Kurbelgarnitur von Race Face ,Neu deswegen weil es keine 24mm Kurbelachsen mehr gibt sondern 30mm und das innen Lager heisst dann BSA 30 für Geschraubt und BB 30 für Pressfit Lager ,bei den Pressfit Innenlager ist ganz wichtig die Gehäuse Durchmesser da verschiedene Durchmesser gibt.

    Antworten
    • Matt

      Hi Gino,

      danke für Deinen Kommentar. Und Glückwunsch zu zwei FATBikes!! Deine beiden Maße – Innenlagergehäuse und Nabenbreite sind wichtig, reichen aber nicht aus. Die Kettenlinie muss auch stimmen. Und es gibt ein paar gute Gründe den Q-Faktor so gering wie möglich zu halten: Schräglage in Kurven, minimale Durchfahrtsbreite im Trail, geringerer Belastung auf den Lagern. Abgesehen davon bekommen einige Biker bei zu hohen Q-Faktoren Knieschmerzen. Ganz so unwichtig ist der Q-Faktor also nicht. Klar, man kann immer einfach die breiteste Achse nehmen und mit Hülsen bzw. Distanzstücken arbeiten. Aber damit vergibt man viel Potential.

      FATte Grüße

      Matt

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.