Transalp? Pah, Kindergarten. Waschechte FATBike Abenteurer suchen echte Herausforderungen und werden auf dem roten Kontinent fündig. Wir haben uns mit dem FATBiker, Auswanderer und Simpson Desert Bike Challenge Bezwinger Eckart Altenkamp unterhalten.
Vorfreude oder furchteinflößender Respekt?
Es ist kurz vor 6 Uhr morgens an einem Wasserloch namens Purni Bore am westlichen Rand der Simpson Wüste in zentral Australien.
Mit klopfendem Herzen sitze ich auf meinem Fat Bike und sehe in Richtung Osten, genau wie die anderen 11 Radfahrer zu meiner rechten Seite. In wenigen Momenten beginnt das 32. Mountain Bike Rennen von hier nach Birdsville am anderen Ende der Wüste. In 5 Tagen sollen wir dort ankommen. Zwischen uns und dem Ziel liegen 590 Kilometer Sandpiste und 500 Dünen. Am Weg gibt es keinen Ort, kein Haus und keine Toilette.
Im Osten kann man jetzt die ersten Vorboten der bald aufgehenden Sonne sehen. Wir sind 400 km von der nächsten geteerten Strasse entfernt. Um uns herum erstreckt sich die Simpson. Tausende mit stacheligen Büschen bewachsene Sanddünen verlaufen in Nord-Süd Richtung, dazwischen ist es flach wie ein Pfannkuchen, oft liegen Salzseen zwischen den Dünen. Es ist still und mit 12 Grad angenehm kühl. Um 14 Uhr werden es 49 Grad sein – im Schatten. Der vordere Konvoi ist seit ½ Stunde in Richtung Sonnenaufgang unterwegs.
„Two minutes“ ruft Snowy the Sweep. Snowy ist 70 Jahre alt und sieht aus wie der Vater von Crocodile Dundee. Er führt den hinteren Konvoi an. Seine Aufgabe besteht darin, Radfahrer einzusammeln die Probleme haben oder nicht die nötige Mindestgeschwindigkeit von 12 km/h halten können. Sie nennen das ‚sweep‘, was “fegen“ bedeutet. Es wird nur 4 der 12 Radfahrern gelingen, Snowy zu entwischen.
„One minute“. Mein Puls steigt auf 140.
Unsere Fragen an Eckart
Das war im September 2017. Der deutsche Auswanderer Eckart Altenkamp nimmt an seinem ersten Simpson Rennen teil. Ein Interview.
FAT-Bike.de: Eckart, wie würdest Du die Erfahrung Auf dem FATBike eine Wüste zu durchqueren beschreiben?
Eckart: Jeder der schonmal per Rad in Urlaub gefahren ist, weiss, warum wir im deutschen buchstäblich von “Er-Fahrung“ sprechen. Per Rad erlebt man die zurückgelegte Strecke viel intensiver als im Auto. Das gilt ganz besonders für Stecken abseits von menschlichen Behausungen. Die Simpson Wüste per Rad zu durchqueren ist ein Privileg und ein sehr beeindruckendes und unvergessliches Erlebnis. Diese scheinbar unendliche Weite lässt dich – zurecht – sehr klein fühlen. Die Schlichtheit der Herausforderung ist das besondere. Deine einzige Aufgabe ist es durchzukommen. Du kämpfst. Stundenlang, tagelang. Monoton – und dennoch ist dies ungeheuer aufregend. Viele Teilnehmer sind immer wieder dabei. Es lässt sie nicht los.
FAT-Bike.de: Eckart, das war 2017. Du hast das Rennen damals gewonnen und 2018 gleich wieder teilgenommen. 2. Platz. In 2019 hat Dein ältester Sohn mitgemacht – und auch er hat den ersten Platz belegt. Was ist dann da los?
Eckart: (Lacht) Das klingt jetzt blöd, aber darum geht es eigentlich nicht. Das Simpson Rennen ist ein Event für Individualisten, Profis tauchen hier höchst selten auf. Jeder fährt an seiner Leistungsgrenze, kämpft mit sich selbst. Der Trick sind die Dünen, denn die Wüste ist nicht flach, mehr wie ein Waschbrett. Über die gesamte Strecke klettert man insgesamt gut 6000 Höhenmeter – auf Sand. Hier spielt dein Gewicht eine grosse Rolle. Mein Sohn und ich sind relativ leicht, das hilft.
Aussenstehende denken immer dass es nur um die Platzierung geht… und dies ist am Anfang des Rennens auch tatsächlich so. Nach ein paar Tagen ändert sich das aber. Es geht um die Erfahrung der eigenen Leistungsgrenze, nicht die der anderen. Die Gemeinsamkeiten der Teilnehmer werden wichtiger als die Unterschiede. Aus Unbekannten werden per Handschlag Freunde fürs Leben. Man hilft einander – ohne zu fragen. Ich denke es ist die soziale Komponente die das Simpson Rennen für Insider so unwiderstehlich macht.
„Du fährst gegen Dich selbst – mit den anderen“
Echter Klassiker mit langer Tradition
FAT-Bike.de: Und das Rennen gibt es schon seit Jahrzehnten?
Eckart: Absolut! Das erste Simpson Rennen fand bereits 1987 statt. Damals waren die Teilnehmer natürlich auf schmalen Reifen und ohne Federung unterwegs. Viele Dünen musste man schieben. Die heutigen FATBikes sind dagegen der reine Luxus.
FAT-Bike.de: Somit könnte das Simpson Rennen weltweit das älteste aktive Etappen-Mountainbike Rennen der Welt sein. Warum ist dieses Event dann relativ unbekannt?
Eckart: Ich denke dafür gibt es mehrere Gründe. Erstens ist es ein sehr kleines Event. Die Stecke führt durch Nationalparks; um den Einfluss auf die fragile Umwelt zu begrenzen ist die maximale Anzahl Teilnehmer auf 30 beschränkt. Zweitens wird das Rennen von freiwilligen Helfern organisiert. Meist ehemalige oder aktive Teilnehmer, so wie ich. Das ganze ist nicht kommerziell und wir sammeln Spenden für die Australischen Fliegenden Ärzte.
Unser Marketing Budget is praktisch null. Und drittens ist die Logistik sehr anspruchsvoll. Man braucht nicht nur gute Fitness und ein geeignetes Bike, sondern auch ein Allrad-Fahrzeug und eine eigene Support Mannschaft. Zwischen Start und Ziel gibt es keinerlei Service. Du musst alles mitbringen, Essen, Wasser, Ersatzteile, Sprit. Und dann sind da auch noch die Entfernungen. Australien ist gross. Wir wohnen in Sydney. Von zu hause bis zum Start sind es schlappe 2300 km. Letztlich ist Bush-Camping mit Schaufeln als Ersatz für eine Toilette auch nicht jedermanns Sache.
Teilnahme als echte Herausforderung
FAT-Bike.de: Heisst das, dass eine Teilnahme für unsere Landsleute ein Traum bleibt?
Eckart: Nicht unbedingt. 2019 war erstmals ein Teilnehmer aus Deutschland dabei und das Rennen war ungeheuer spannend. Am Schluss lag der – nach 550 km – gerade 9 Minuten hinter dem Sieger auf Platz 2.
Für die Logistik haben wir inzwischen eine Zusammenarbeit mit einem lokalen Reiseanbieter der Dich in Alice Springs abholen und in Brisbane wieder zum Flughafen bringen kann. Der Service beinhaltet auch Zelt aufbauen und Kochen. Du musst nur dein Rad mitbringen – und eine voll geladene Kreditkarte.
Im Moment sind wegen Covid die Grenzen allerdings geschlossen. Wir sind in den Vorbereitungen für das 2021 Rennen Ende September. Wir wollen nächstes Jahr auch erstmals eine eBike Kategorie anbieten. Ob wir bis dahin allerdings internationale Teilnehmer begrüssen dürfen, steht in den Sternen.
FAT-Bike.de: Wirst Du wieder dabei sein?
Eckart: Das ist der Plan, ja.
Was bleibt?!
FATter Respekt, Eckart! Nicht nur für die Leistung beim Event, sondern vor allem auch für das Engagement bei der Organisation der Desert Challenge. Und wer weis, vielleicht sehen wir uns tatsächlich mal in Australien auf eine Simpsons Durchquerung 😉
Wer selbst Bock hat mitzufahren, wendet sich am besten direkt an admin@desertchallenge.org für Anfragen in englisch. Michael Liebert, deutscher Teilnehmer von 2019, hat sich netterweise auch als hiesiger Ansprechpartner und Vermittler unter m.liebert@liebert-ub.de angeboten.
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