Sandman Indus FS110

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Inveniam Viam – Finde einen Weg. Unter diesem Motto stellt sich das Sandman Indus FS110 Full Suspension FATBike seinen Herausforderungen. Diesmal: dem Test durch uns! Nachdem wir das Indus endlich fertiggestellt hatten, haben wir es sofort auf unsere Lieblingstrails gezerrt und ihm ordentlich auf den Zahn gefühlt. Und das hat anständig Spaß gemacht! Aber der Reihe nach…

Sandman Indus FS110 – FATFullies auf dem Vormarsch

Egal, bei welchem Wetter...

Egal, bei welchem Wetter…

Wer kennt diese Frage nicht… „Braucht man am FATBike eigentlich eine Federgabel?“ Häufigste Antwort: „Nein, die Reifen federn genug!“. Stimmt, aber ist nur die halbe Wahrheit. Denn will mal es mal richtig krachen lassen, kommen Reifen und Handgelenke schnell an die Grenze und man muss abbremsen noch bevor der Spaß richtig losgeht.
Und genau da schlägt die Stunde der Federgabeln, die viele Dinge überhaupt erst möglich machen. Ein FATFully ist die logische Konsequenz, und mit Bulls Monster FS, Alutech Fat Fanes, Foes Mutz oder dem Maxx Huraxdax gibt es inzwischen ein paar hochkarätige Vertreter dieser Klasse.

Das Sandman Indus FS110 reiht sich nahtlos ein: mit 110mm Federweg am Heck und 120mm am Vorderrad stellt es mehr als ausreichend Reserven zur Verfügung. Hilfreich, wenn man die Vernunft mal wieder zu Hause liegen lassen hat…

Vier Gewinnt!

Massiv: die gefräste Wippe

Massiv: die gefräste Wippe

Bevor wir uns mit den Fahreigenschaften befassen, schauen wir uns mal im Detail an, was das Indus FS zu bieten hat. Fangen wir hinten an – der Hinterbau des Sandman Indus FS110 ist, wie heutzutage üblich, als Viergelenk-Konstruktion ausgelegt. Die Lager sind, gerade im Bereich der massiven, gefrästen Wippe, verhältnismäßig klein dimensioniert – vermutlich um Gewicht zu sparen. Schleifen im Wiegetritt oder ein schwammiges Fahrgefühl gibt es zwar keines, aber wirklich knacksteif ist der Hinterbau auch nicht.
Beim Dämpfer macht Sandman dagegen keine Kompromisse und setzt auf keinen Geringeren als den Cane Creek Double Barrel Inline Dämpfer, aktuell einer der besten Dämpfer, die man für Geld kaufen kann. In den ersten Generationen hat man neben Dämpferpumpe und Innensechskantschlüssel noch ein Harvard Studium in experimenteller Atomphysik benötigt, um den Dämpfer optimal abzustimmen. Heutige Modelle sind zwar immernoch deutlich komplexer (aber eben auch vielseitiger) als z.B. ein Rock Shox Monarch, aber durchaus für Normalsterbliche wie uns beherrschbar. Mit Erfolg, aber dazu später mehr.

Hubraum statt Spoiler!

Hubraum statt Spoiler!

Zwischen die massiven, aufwändig gebogenen Kettenstreben steckt man am besten einen Reifen um die 4 Zoll – angeblich kann man auf einer 55mm Felge auch einen 4.8er montieren.
Jedoch egal wie breit Reifen und Felge sind: in jedem Fall drehen sie sich um eine 177mm Nabe mit X12 Steckachse.

Ausgefeilt und abgebürstet

So kann man kurz den Hauptrahmen beschreiben. Der besteht aus 7005er Alu und ist schon an sich eine Augenweide: die gebürstete Oberfläche der aufwändig hydrogeformten Rohre, die sehr anständig ausgeführten Schweißnähte und die sauber unter Klarlack angebrachten Decals – das Ding macht was her! Das stark abfallende Oberrohr lässt massig Platz, um sich auf dem Bike frei zu bewegen wenn man es mal über einen verblockten Trail zirkeln will.

Alu natur: erst abgebürstet und dann klar lackiert

Alu natur: erst abgebürstet und dann klar lackiert

Sehr lecker ist der mit 68 Grad recht flache Lenkwinkel. Im Alltag kam er uns sogar noch ein ganzes Stück flacher vor (gefühlt vielleicht 65°), was einen satten Geradeauslauf und sicheres Handling bei hohen Geschwindigkeiten bringt. Ist fast wie ein Autopilot – auf einem Sandman Indus FS110 kann man bergab auch schnell mal was bei Facebook posten…

Alle Züge und Leitungen werden ohne Unterbrechung der Außenhüllen außen am Rahmen geführt. Eine Dropper Post mit innen liegender Bedienung ist nicht vorgesehen. Das Innenlagergehäuse ist im gängigen 100mm BSA Standard ausgelegt. Genauso gängig ist das tapered Steuerrohr, welches Platz für alle aktuellen Federgabeln bietet.

Be different!

FatLab Upside Down Federgabel

FatLab Upside Down Federgabel mit 120mm Federweg

Apropos Federgabel… Da Sandman und FatLab praktisch aus einem Haus kommen, wurde das Sandman Indus FS110 mit einer FatLab Upside Down Federgabel mit 120mm Federweg ausgerüstet. Diese hatten wir bereits separat getestet. Im Indus FS110 kommt jedoch eine schmalere 135mm Version zum Einsatz. Zwar hat auch diese Variante das etwas gewöhnungsbedürftige Spiel um die Mittellage, ist aber insgesamt nochmal etwas steifer als die von uns getestete 150mm Version. Allerdings ist der Freiraum für den Reifen begrenzt, einen 4.8er bringt man hier nicht unter.
Es gibt eine Menge (leider oft berechtigter) Vorurteile gegen Upside Down Gabeln und viele Biker halten sie für Schnickschnack. Die 135er FatLab ist allerdings ein ausgereiftes und zuverlässiges Arbeitstier und passt sehr gut zu einem Bolzer wie dem Sandman Indus FS110.

Smooth ride

Schweres Gerät. Und ein Bagger.

Schweres Gerät. Und ein Bagger.

So, wie macht sich das Ganze denn nun im Alltag?!? Man sitzt entspannt auf dem Indus FS und der 73° Sitzwinkel erlaubt angenehmes Treten auch an Anstiegen. Leider hat der VeeTire H-Billie 4.25 Reifen, den wir mit 0.65bar – und damit ca. 0.15bar mehr als üblich bei einem 4.0er – betrieben haben, nur eine 72TPI Karkasse. Das erhöht den Rollwiderstand unnötig. Dafür ist er leicht (ca. 1.200gr) was zusammen mit den leichten Laufrädern und sehr steifen FatLab Kurbeln eine gute Beschleunigung und überraschend schnelle Sprints erlaubt.

Extra robust: die FatLab Carbon Hohlkammerfelgen

Extra robust: die FatLab Carbon Hohlkammerfelgen

Die Kombination aus Geometrie und Reifen ergibt ein sehr angenehmes und gefälliges Einlenkverhalten ohne das oft bemängelte Abkippen in Kurven oder den gefürchteten Autosteer Effekt beim Durchfahren von Längsrillen.
So richtig Spaß macht der Dämpfer, dessen innovativer „Climb Switch“ nicht einfach die Federung blockiert sondern nur die niederfrequenten gleichmäßig Auslenkungen, z.B. im Wiegetritt, stark dämpft. So kann man selbst mit geschlossenem Climb Switch ohne Bandscheibenvorfall über einen Wurzelpassage fahren.
Man kann also sehr angenehm Touren fahren mit dem Indus FS110.

Sandman Kurbeln: steif und leicht.

FatLab Kurbeln: steif und leicht.

Lässt man das Indus jedoch bergab von der Leine, zeigt sich schnell wo dieser Frosch seine Locken hat. Wie auf Schienen folgt das Bike dem Trail, während die ausgewogene Kinematik des Hinterbaus fast unbemerkt ihren Job macht. Mit der Zurückhaltung und Souveränität eines englischen Lords verrichtet der Cane Creek Dämpfer seine Arbeit, federt und dämpft pausenlos an der Grenze zur Perfektion und scheint herannahenden Unbill förmlich voraus zu ahnen.
In der Fahrpraxis bedeutet das, dass sich das Hinterrad zu jeder Zeit sicher im Griff des Dämpfers befindet, welcher neben der üblichen Absorbtion von Stößen auch den größtmöglichen Bodenkontakt sicherstellt. Selbst in wurzelgespickten Kurven kann man so das Gas stehen und den Angstschweiß fließen lassen.

Saubere Sache: Verarbeitung im Detail

Saubere Sache: Verarbeitung im Detail

Die FatLab Federgabel ist nicht ganz so hypersensibel, schluckt aber auch große Brocken gelassen weg und hält das Vorderrad sicher am Boden. Durch ihre insgesamt hohe Verdrehsteifigkeit hilft sie außerdem zuverlässig dabei die Fuhre auf Kurs zu halten, falls einem doch mal jemand eine unerwartet scharfe Kurve vors Vorderrad wirft.

Leicht unterdimensioniert kommt die Bremsanlage daher. Während die verbaute Sram Guide R in ihrer höchsten Ausbaustufe durchaus dafür sorgen kann, dass man bei einer Vollbremsung vom eigenen Kondensstreifen überholt wird, muss das Indus FS mit einer abgespeckten 180mm Bremsanlage klarkommen. Das reicht immer noch für manierliches Ankern, hin und wieder vermisst man aber die wutschnaubende Bissigkeit einer 200er Bremsscheibe. Zumal einen das Indus immer wieder zu wilden Attacken reizt.

Finde einen Weg

Finde einen Weg

Permanent vermisst haben wir dagegen die Dropper Post, die für uns an einem Bike dieser Liga zur Grundausstattung gehört. Denn dank des stark geknickten Sitzrohres kann man die starre Sattelstütze nur ein paar Zentimeter reinschieben. Definitiv zu wenig für den nötigen Wohlfühlabstand zwischen Sattel und Kronjuwelen…

Was bleibt?

Natur von ihrer schönsten Seite

Natur von ihrer schönsten Seite

So hinterlässt das uns von Sandman zur Verfügung gestellte Indus FS110 am Ende einen gespaltenen Eindruck. Der sehr hochwertige Rahmen, die hervorragende Hinterbaukinematik und die ausgewogene, leicht abfahrtslastige Geometrie haben uns klar beeindruckt.

Andererseits war das Bike unserer Meinung nach, sagen wir mal, „diffus“ aufgebaut. Um eine echte Spaßgranate zu sein, fehlten die wichtigste Zutaten – griffige Reifen, eine Dropper Post und 200er Bremsscheiben. Zum konsequent leichten Tourenfully fehlen z.B. ein Carbonlenker, ein hochwertiger Sattel und leicht rollende 120TPI Reifen wie der Kenda Juggernaut Pro 4.0. Auch, wenn unser Aufbau mit 15,6kg (incl. Pedalen und 240ml Dichtmilch) absolut fair unterwegs ist, ist da noch eine Menge Raum für Optimierung.

Das spielt allerdings kaum eine Rolle, denn das Sandman Indus FS110 wird in Deutschland von Alex* vertrieben und sowieso in erster Linie als Rahmenkit verkauft. Je nach Aufbau kann man so aus dem Indus FS110 genau das machen, was man haben möchte – die sehr gute Basis taugt eben zum Tourenfully genauso wie zum Freeride bzw. Endurobike mit echten Downhillambitionen.

Auf dem Weg zum eigenen Indus FS110 ist es dann übrigens ganz hilfreich, nicht allzu sehr an seinem Geld zu hängen: stolze 2.599,- muss man überweisen um Rahmen und Cane Creek Dämpfer sein Eigen nennen zu dürfen. So verabschieden sich schnell 5.000,- oder mehr Euros bevor das Traumbike wahr wird. Eine Menge Holz, jedoch im Bereich vollgefederter FATBikes auch nicht wirklich ein Ausreißer.

Und hey, die Bank zahlt eh keine Zinsen mehr – warum also nicht in Fahrspaß investieren!

One Response

  1. Walter

    Servus zusammen… Wieder ein cooler Test von einem coolen Bike… Da beneide ich euch als tester schon etwas… Gaaanz uneigennützig wuerde ich mich jederzeit als testerazubi zur verfügung stellen 😉
    viel spass weiter… Servus walter

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