Winterbiken mit dem Fatty. Eiskalt zugepackt!

Winterbiken

Spielst Du noch Golf oder FATBikst Du schon?

Im Herbst hatten wir uns die vier (theoretisch) verbreitetsten FATBike Reifen der SuperFAT Klasse zur Brust genommen und in einem großen FATBike Reifentest die Stärken und Schwächen durchleuchtet.
Aber jetzt hat uns der Winter einen halben Meter Schnee vor die Tür gestapelt – und die Karten damit neu gemischt. Eiskalter Wind bläst dir die Falten aus dem Gesicht und im Wald rollst du auf einer Mischung aus Eis, Schnee und Harsch. Aber anders als deine Reifen hast du Handschuhe an. Die Pellen kriegen beim Winterbiken die volle Ladung ab! Kälte macht das Gummi hart, vereiste Flächen lassen selbst den dicksten Stollen alt aussehen und der Tiefschnee trennt gnadenlos, welcher FATBike Schluffen kraftvoll zubeißt und wer ein zahnloser Tiger ist.

FAT im Schnee. Einfach schön!

FAT im Schnee. Einfach schön!

Auf unzähligen Testkilometern haben wir in den letzten Wochen immer wieder die Reifen gewechselt und sie durchs Winterwunderland geprügelt. Mit interessanten Erkenntnissen… Vor allem dieser: wird echt Zeit für einen Kompressor!!!

Unser bekannter Ansatz, keinen Testsieger zu küren, bleibt. Auch im Schnee gilt: jeder Reifen kann was anderes gut. DEN FATBike Reifen zum Winterbiken gibt es nicht. Wobei die Abstände diesmal durchaus größer ausfallen…

Ach ja – dem einen oder anderen wird ein wichtiger Teil in diesem Beitrag zu fehlen: Spikereifen. Ja und nein. Spikes verändern im Winter natürlich alles. Und gerade deswegen haben wir hier keinen mit aufgenommen. Die 4 Kandidaten sind Ganzjahresreifen und sind mit Spikes kaum vergleichbar. Daher lösen wir das Thema raus und schauen es uns mal separat an.

Surly Bud und Lou

Surly Bud - spielt gern im Vordergrund!

Surly Bud – spielt gern im Vordergrund!

Sie kommen aus dem eisigen Winter der nördlichen USA. Damit ist eigentlich alles gesagt. Sie sind die FATtesten, haben die höchsten Stollen und das Profil ist absolut kompromisslos. Auch die Kälte stört sie nicht: selbst weit unter 0°C Grad bleiben die bissigen Dickerchen aus Minnesota schön geschmeidig im Abrollen und krallen sich zuverlässig in den Untergrund.

Acht Millimeter hohe Stollen sorgen beim Winterbike im Schnee für enormen Schub und Richtungsstabilität. Wenn man mit Bud und Lou nicht weiter kommt, hat man entweder etwas falsch gemacht oder es wird Zeit für eine Motocrossmaschine.
Keinen anderen Reifen kann man mit so wenig Druck fahren. Im Tiefschnee sind (für 75kg Leichtgewichte wie uns) locker 0.2 Bar ausreichend. Auf Asphalt macht das keinen Spaß mehr, verbreitert den „Footprint“ im Tiefschnee aber locker um zusätzlich zwei bis vier Zentimeter.

Nochmal schwarz auf weiß: Bud und Lou packen an!

Nochmal schwarz auf weiß: Bud und Lou packen an!

Erst glatte Eisflächen zwingen Bud und Lou in die Knie. Hat das Eis „Struktur“, also gefrorene Fußabdrücke, Schneereste, etc., dann kann man es mit Bud, Lou und etwas „Zehenspitzengefühl“ dagegen gut bezwingen.
Es ist Fakt: Bud und Lou haben kaum natürliche Feinde! Trotzdem gibt es (zarte) Kritik: Buds hauptsächlich in Fahrtrichtung orientierte Stollen bringen zwar Seitenführung aber bauen nur wenig Bremskraft auf. Das war im Sommer schon überraschend, aber im Schnee potenziert sich dieser Effekt. Abbremsen auf Schnee erfordert viel Gefühl – vor allem, wenn man mit normalem Druck fährt.

Ebenfalls kritikwürdig: die Apothekenpreise. Auch wenn der Straßenpreis derzeit immer wieder mal an der 100 Euro Marke kratzt – 149,- Euro UVP dürften für die meisten nicht akzeptabel bzw. machbar sein. So wirds nichts mit dem Massenmarkt…
Fazit: Bud und Lou von Surly sind auch beim Winterbiken das Dreamteam fürs Grobe. Hilfe für „wenn nichts mehr geht“. Wenn der Weihnachtsmann mit seinem Schlitten feststeckt, steigt er auf sein FATBike. Und da sind Bud und Lou drauf! Bleibt zu hoffen, dass er auch Bud und Lou im Gepäck hat. Denn zum selbst kaufen sind sie eigentlich zu teuer.

Specialized Ground Control FAT 4.6

Richtig abgestimmt macht die Bluto auch im Schnee Spaß!

Beiß‘ rein! Specialized Grund Control Fat im Schnee.

Beim Reifentest im Sommer hatte der Specialized Ground Control Fat ein gemischtes Bild hinterlassen. Die Traktion war gut, Dämpfung und „Tiefdruckstabilität“ sind aber nicht optimal. Aber Schnee ist eben anders… Unter praktisch allen Bedingungen wühlt sich der Ground Control Fat zuverlässig durch den Schnee und sorgt im Tiefschnee selbst mit Normaldruck (also ca. 0.5 Bar in unserem Fall) für sicheren Vortrieb.

Dabei ist sich das Profil auch nicht zu schade, um sich bei harten Brems- oder Lenkmanövern ordentlich gegen die weiße Pracht zu stemmen. Soll heißen: droht der nächste Baum damit, zutraulich zu werden, hat man ordentlich Bremskraft parat – oder man lenkt zuverlässig drum herum.

Geht es bergauf, packt der Specialized Ground Control Fat fest zu und schiebt die Fuhre mit stoischer Ruhe voran. Im Tiefschnee lassen die Specialized Pellen nicht die Tiefdruck-Exzesse der Surly Brüder zu – die Karkassen werden zu schnell instabil. Beim eher flachen Ground Control hält sich der „Verbreiterungseffekt“ aber sowieso in Grenzen. Dafür zeigt das Profil, was es kann. Und auch die Gummimischung bleibt bei klirrender Kälte bissfest. Auf glatten Eisflächen ist nichts zu machen, jedoch nutzen die Ground Control Fat jede noch so kleine Unebenheit um so etwas wie Traktion zu erzeugen.

So, jetzt kommt der Teil mit der Kritik. Tja… Mit einem Listenpreis von 99,- Euro sind sie immer noch ziemlich teuer… Aber sonst, im Schnee… Nein, da gibt es tatsächlich nichts zu kritteln.
Am Ende zeigt sich der Specialized Ground Control Fat 4.6 auch beim Winterbiken wieder als super Allrounder. Wenn man nicht gerade im Winter durchs alpine Hinterland tourt oder zum Nord- oder Südpol will ist er eine erstklassige Wahl.

Schwalbe Jumbo Jim

E-LOM 4point8 im Schnee

Jumbo Jim unter Strom – hier gefahren am E-Lom eFatty.

Beim FATBike Reifentest im Sommer wusste der Leichtbau-Bruder des Schwalbe Jumbo Jim auf ganzer Linie zu überzeugen. Im Wintertest haben wir die „schwergewichtige“ Variante antreten lassen, da der SL einen relativ hohen Mindestdruck braucht, um stabil zu bleiben.

Und in zwei Disziplinen nimmt niemand „Jimmy“ die Butter vom Brot: er ist leicht und rollt leicht. Das gilt auf hartem Waldboden genauso wie im Schnee. Gerade bei langen Touren ist der Jumbo Jim ein Segen weil er dir nicht die Beine leer saugt.
Diese Stärke erkauft er sich im Winter jedoch teuer: seine relativ wenigen und dazu kleine Stollen und die vor allem bei Kälte recht harte Gummimischung – im Sommer ein Garant für leichtem Lauf und guter Selbstreinigung – haben im Schnee ihre liebe Not. Auf wirklich festem Schnee macht der Jumbo Jim dabei noch eine sehr gute Figur, lässt aber beim Bremsen und Lenken schon erahnen, dass er jetzt eigentlich lieber woanders wäre.

Wird der Schnee fluffig oder tief, können die Stollen den Kraftschluss zum Untergrund nicht immer gewährleisten.
Allerdings muss man die Kirche im Dorf lassen – gemessen am Mountainbike ist der Jumbo Jim auch im Schnee immer noch eine Offenbarung. Beim gepflegten Winterbiken macht er einen guten Job und punktet, wie auch im Sommer, mit seinem sehr geringen Rollwiderstand.
Bei geplanten Expeditionen oder anspruchsvollen (bergig, kurvig, schnell, viel lockerer/tiefer Schnee) Touren setzt er aber klare Grenzen.

So lautet unser Fazit: der Jumbo Jim ist vor allem im Sommer ein top Reifen. Aber wenn wir einen Wunsch frei hätten, würden wir uns eine verschärfte Jumbo Jim Ice & Snow Variante mit ausgeprägterem Profil und weicherem Gummi für die kalte Jahrezeit wünschen.

Kenda Juggernaut Sport 4.5

Schneestürmer: der Kenda Juggernaut Sport 4.5

Schneestürmer: der Kenda Juggernaut Sport 4.5

„Ich Kenda einen FATBike Reifen…“ Jaja, Wortwitz ist nicht unsere Stärke… Der Kenda hat im großen Reifentest die Tester polarisiert. Man hasst ihn oder man liebt ihn. Seine überragende Dämpfung und der satte Grip stehen im Sommer einer sehr steifen Karkasse, wenig Fahrkomfort und einem sehr hohen Rollwiderstand gegenüber. Und im Winter?
Na eigentlich genauso! Wie im Sommer ist die Traktion in allen Schneebedingungen hervorragend. In schnell gefahrenen Kurven hat er einen erstaunlich breiten Grenzbereich und legt lange nach, bevor der Grip abreißt und man ins Unterholz kracht. Das pfeilförmige Profil stellt sich beim Bremsen auf Schnee der Masseträgheit wacker entgegen und sorgt für saubere Verzögerung. Mit demselben Mechanismus kann man auch den Vortrieb am Hinterrad noch steigern: einfach den Reifen umdrehen – so ist das „V“ des Profils in Kraftrichtung geöffnet und schaufelt die Fuhre unermüdlich durch den Schnee.

Leider bleibt aber auch das unverändert: Kälte macht den Juggernaut wirklich bocksteif. Der Fahrkomfort sinkt auf das Niveau eines Wagenrades. Und nicht nur die Traktion, sondern auch der Rollwiderstand auf festem Untergrund erreicht das Niveau einer Planierraupe.

Weniger Druck im Juggernaut fördert im Tiefschnee zwar den Vortrieb. Hat man aber doch zwischendurch mal festen Boden unter den Füßen, wird der Juggernaut zur schwer beherrschbaren Zicke. Kann man sich sparen – selbst bei Betriebsdruck lässt sich der Juggernaut kaum von Schnee beeindrucken. Auf Eis gilt die alte Regel: ist es glatt, fliegst du ab! Auf „strukturiertem Eis“ findet er aber immer wieder ein Eckchen, an dem er sich verbeißen kann.

Im Fazit gibt der Kenda Juggernaut Sport 4.5 im Winter ebenfalls eine gute Figur ab. Man kommt weit mit ihm und muss auch nicht langsam fahren. Er ist und bleibt jedoch der Downhiller unter den FATBike Reifen: der für die Stabilität nötige, höhere Druck und die bei Kälte verhärtende Gummimischung lassen keine Gedanken an den FATBike-typischen Fahrkomfort aufkomme. Außerdem saugt der Juggernaut an den Akkus des Fahrers wie kein anderer Reifen. Zum Glück spielt das im Tiefschnee auch keine Rolle mehr!

Was bleibt?

Er kann rennen. Aber er kann sich nicht verstecken! Surly Lou.

Er kann rennen. Aber er kann sich nicht verstecken! Surly Lou.

FATBikes wurden im Schnee geboren und nirgendwo spielen sie ihre Vorteile so grandios und souverän aus wie dort. Mit dem richtigen Reifen kann man den Spaß noch steigern und das nicht zu knapp. Dabei unterscheidet sich die Performance der Reifen teilweise deutlich von ihren Fähigkeiten im Sommer. Dennoch lässt jeder Testkandidat normale Mountainbikes weit hinter sich auf dem Weg durch das Winterwunderland. Zusammen mit unseren Fahrtechniktipps kann man ordentlich die Sau rauslassen und Biken wird endlich zum vollwertigen Wintersport!

Allerdings gibt es hier eine wichtige Einschränkung, und auch das wollen wir mal ganz deutlich sagen: so lange man keine Reifen kaufen kann, sind Tests wie unsere Schall und Rauch.

Wir hoffen, dass spätestens im Frühjahr hier endlich der Durchbruch kommt und die Hersteller ihre Produkte flächendeckend verfügbar machen.

2 Responses

  1. Thomas

    Ein schön geschriebener und informativer Beitrag.
    Leider war der Dillinger 5 (ohne Spikes) nicht mit dabei, obwohl er schon fleissig von einigen FatBikern gefahren wird.
    Der Bericht sagt zudem nichts darüber, ob die Reifen mit Schlauch oder schlauchlos montiert waren. Aus eigener Erfahrung ist das aber ein enormer Unterschied in Bezug auf Tracktion und Rolleigenschaften…

    Antworten
    • Matt

      Hi Thomas,

      danke für Deinen Kommentar und die Hinweise. Mit dem Dillinger hast Du recht, leider haben wir aktuell keinen davon in unserem Bestand.
      Wir werden uns aber auch 2015 erneut dem Thema Reifen annehmen und unsere Testflotte aufstocken.

      Schlauchlos berücksichtigen wir bei solchen Vergleichstests generell nicht. Wenn man die Reifen bis zu 5 Mal an einen einzigen Wochenende wechselt und das über mehrere Wochen ist das zu aufwändig. Und wenn man – um im Rahmen der Vergleichbarkeit fair zu bleiben – mit Dichtmilch arbeitet ist das zu viel Sauerei. Daher sind die Tests immer mit Schlauch, wobei grundsätzlich immer dieselben Schläuche in allen Reifen verwendet werden.

      FATte Grüße

      Matt

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